Die schönsten Friedhöfe Europas (die ich kenne)

Cluj-Napoca Zentralfriedhof Házsongárd, Unzählige Grabsteine ziehen sich einen sonnenbeschienenen Hügel hoch, dazwischen zahlreiche Bäume und Büsche.
Foto: Christina Grevenbrock

Friedhöfe sind eigentlich immer toll! Wo sonst kann man nahezu ungestört durch einen liebevoll angelegten Park spazieren und gleichzeitig hunderte Minieinblicke in die Leben verschiedener Menschen erhaschen? Eben! Meine Vorstellung von Sightseeing mag seltsam anmuten, aber so habe ich über die Jahre ein paar echte Perlen entdeckt, die einen Spaziergang wert sind!

Besonders viel Spaß bringt das natürlich bei schönem Wetter und auf Reisen. Begräbnisstätten sind immer herausgehobene Orte, an denen Natur, Kleinarchitektur, persönliche Geschichten und kulturelle Besonderheiten einerseits besonders dicht und dabei völlig entschleunigt aufeinandertreffen. Wahre Ruheoasen im Alltag und unterwegs!

Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee, Blick auf Grabsteine, völlig überwuchert von Efeu, anderen Pflanzen, Bäumen und Büschen.Quelle: Christina Grevenbrock
Verwunschene Idylle: Völlig verwachsene Gräber auf dem Friedhof Berlin Weißensee

Der jüdische Friedhof Berlin-Weißensee

Ein Wort vorweg zu jüdischen Friedhöfen: Sie sind dem jüdischen Glauben und seinen Gesetzen folgend für die Ewigkeit gedacht, anders als christliche Friedhöfe werden Gräber grundsätzlich nie aufgelöst und neu belegt. Daher sind gerade ältere jüdische Friedhöfe häufig besonders naturnah, die meist relativ schlichten Grabsteine stehen zwischen Bäumen und werden langsam von Efeu überrankt. 

Das kann besonders eindrucksvoll auf dem weitläufigen Areal des jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee erwandert werden. Mit seinen 42 Hektar und 116.000 Gräbern ist er die größte jüdische Begräbnisstätte Europas. Dabei zählt der 1880 angelegte Ruheort eher zu den jüngeren Vertretern. Im Zuge des 19. Jahrhunderts gerieten vielerorts die innerstädtischen Begräbnisstätten an ihre Kapazitätsgrenzen, so auch die der jüdischen Gemeinde in Berlin. Daraufhin wurde das Areal im Berliner Bezirk Pankow erworben.

Waldfriedhof München, Detailaufnahme vom Grab des Schriftstellers Michael Ende. Eine Bronzeschildkröte, die die Worte „Habe Keine Angst“ auf ihrem Panzer trägt, in Anlehnung an die Romanfigur Kassiopeia aus seinem Roman „Momo“. Im Hintergrund sieht man ein aufgeschlagenes Buch aus Bronze und GrünpflanzenQuelle: Christina Grevenbrock
„Habe keine Angst“ – Tröstliche Worte am Grab des deutschen Schriftstellers Michael Ende

Waldfriedhof München

Ich habe sie geliebt! „Momo“ und die „Unendliche Geschichte“ haben mich und unzählige andere durch die Kindheit begleitet. Keine Frage also, dass das Grab Michael Endes auf dem idyllischen Waldfriedhof in München auf diese Liste gehört. Und der Name lässt es schon ahnen: Hier liegen die Begräbnisstätten friedlich zwischen Bäumen.

1905 war das Konzept revolutionär. Ein Friedhof im Wald, ganz ohne streng geometrische Gräberreihen – das gab es zuerst hier, im ehemaligen Hochwaldforst vom Schloss Fürstenried. Neben Michael Ende haben auch Künstler wie Franz von Stuck, der Dramatiker Frank Wedekind und die umstrittene Filmemacherin Leni Riefenstahl hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.

 Zentralfriedhof Wien, Gräberreihen im Gegenlicht, Herbstlaub türmt sich am Boden, die Grabsteine sind mit Efeu überrankt. Am Ende der Reihe sieht man eine Person von hinten.Quelle: Christina Grevenbrock
Herbststimmung auf dem Zentralfriedhof in Wien.

Wiener Zentralfriedhof 

„Es lebe der Zentralfriedhof!“ sang einst Wolfgang Ambros – die Wiener lieben ihre Begräbnisriten einfach. Der riesige Zentralfriedhof vor den Toren Wiens ist ein Produkt der Friedhofsreform des 19 Jahrhunderts. Auch in Wien wurden die Kapazitäten der innerstädtischen Gottesacker knapp. Daher wurde 1874 eine neue „Totenstadt“ auf einer Fläche von rund zweieinhalb Quadratkilometern im fernen Simmering errichtet.

Das gehört heute zwar zum Stadtgebiet, besonders zentral ist es aber auch heute noch nicht. Man fährt also eine Weile, um die schönen Jugendstilbauwerke, allen voran die Friedhofskirche von Max Hegele und die vielen Ehrengräber zu besichtigen. In der Musikstadt Wien liegt natürlich auch der ein oder andere Musiker. Hier finden sich die Gräber von Beethoven und Brahms, Schubert und Strauss aber auch Udo Jürgens.

Friedhof Ohlsdorf in Hamburg, zentral im bild befindet sich ein Brunnen mit Brüstung und Treppenaufgängen, dahinter BäumeQuelle: Christina Grevenbrock
Der Ohlsdorfer Friedhof ist nicht nur in der warmen Jahreszeit einen Besuch wert.

Friedhof Ohlsdorf in Hamburg

Der Wiener Zentralfriedhof sei groß? Über so eine Aussage können Hamburger:innen nur schmunzeln. Der Friedhof Ohlsdorf ist mit seinen fast vier Quadratkilometern ist der viertgrößte Bestattungsort der Welt und der größte Europas. Er ist so groß, dass gleich zwei Buslinien hier verkehren und er mithilfe von sage und schreibe 22 Bushaltestellen erschlossen wird.

Ohlsdorf ist so großzügig gestaltet, dass Spaziergänger:innen streckenweise fast vergessen können, auf einem Friedhof zu laufen. Er ist wie ein englischer Landschaftsgarten angelegt, mit vielen alten Bäumen, sanften Hügeln und sogar Wasserläufen und Teichen. 1877 geweiht, also nur kurz nach dem Wiener Zentralfriedhof, ist auch er ein Resultat der Auslagerung und Zentralisierung von Bestattungsflächen im 19. Jahrhundert.

Highgate Cemetery, London. Grab von Karl Marx: Eine monumentale Steinbüste des Philosophen. Darunter sein Zitat „Workers of all Lands Unite“ (Arbeiter aller Länder vereinigt euch.). Im Hintergrund dichter Pflanzenbewuchs.Quelle: Christina Grevenbrock
Das Grabmahl Karl Marx‘ auf dem Londoner Highgate Cemetery.

Highgate Cemetery in London

Der Londoner Highgate Cemetery ist eigentlich zweigeteilt und erstreckt sich auf beide Seiten der „Swain’s Lane“. Der ältere und kleinere westliche Teil ist durch exotische Pflanzen und spektakuläre Grabarchitekturen der viktorianischen Zeit geprägt, etwa die „Egyptian Avenue“, eine pseudoaltägyptische Katakombenanlage. Der deutlich größere östliche Teil ist konventioneller gestaltet, beherbergt dafür eine eklektische Auswahl prominenter Toter, neben dem Exilanten Karl Marx auch den Schriftsteller Douglas Adams und den Sänger George Michael.

Alter jüdischer Friedhof in Prag. Man sieht dichtgedrängte Grabsteine, zum Teil reich verziert. Im Hintergrund Bäume.Quelle: Christina Grevenbrock
Grabsteine dicht an dicht. Auf dem alten jüdischen Friedhof in Prag sind deutliche Spuren von Platzmangel sichtbar.

Alter jüdischer Friedhof in Prag

Auf dem alten jüdischen Friedhof in Prag wird überdeutlich, was passieren kann, wenn der Platz einfach nicht mehr für die Toten ausreicht. Auf engem Raum drängen sich auf dem Altstadtfriedhof mehr als 12.000 Gräber. Begraben wurde hier vom 15. bis ins 18. Jahrhundert.

Da ja aber einerseits die jüdischen Gräber nie aufgelöst werden, im engen jüdischen Ghetto aber auch keine Expansionsmöglichkeiten bestanden, hatte die Gemeinde irgendwann ein Problem: Wohin mit den Toten? Die Lösung hieß stapeln. Man begrub die Verstorbenen in bis zu zwölf Schichten, die Grabsteine dichter und dichter aufgestellt.

Irgendwann ging gar nichts mehr, sodass die Gemeinde 1787 erst den Friedhof im Stadtteil Žižkov, später dann den Neuen jüdischen Friedhof in Prag nutzte. Letzterer ist ebenfalls sehr sehenswert, nicht zuletzt weil dort Franz Kafka begraben liegt.

Friedhof Házsongárd in Cluj-Napoca: Alte und neue Grabsteine und MasoleenQuelle: Christina Grevenbrock
Alt und Neu wid gemixt auf dem Friedhof Házsongárd und darum gerade reizvoll.

Cluj-Napoca Zentralfriedhof Házsongárd

Ok, wahrscheinlich wird niemand ever ins tiefste Rumänien nach Cluj reisen, nur um diesen Friedhof zu besichtigen. Wert wäre es aber allemal! Absolut spektakulär an einer Hügelflanke gelegen, bieten sich beim Flanieren über den Friedhof Házsongárd gleichzeitig schöne Blicke über die Stadt, immer wieder neue Ausblicke auf die zum Teil wunderschönen Grabsteine und Mausoleen, und in die üppige natürliche Vegetation.

Der Friedhof wurde nach der Pestepidemie 1585 errichtet. Beim Spaziergang über seine 14 Hektar wird es nie langweilig, mittelalterliche Gräber liegen neben experimenteller moderner Katakombenarchitektur, Jugendstilgrabsteinen und aktuellen Gräbern. Dabei geht es nicht nur quer durch die Jahrhunderte und Kunststile, sondern auch durch die Religionen und Kulturen. Ebenfalls einen Gedanken oder ein Foto wert ist das Bestattungsunternehmen „Carpe Diem“, nur wenige Meter neben dem Haupteingang gelegen. 

Friedhofsinsel San Michele, Venedig. Im Wasser liegt eine Insel, umschlossen von einer rötlichen Mauer. Einige ornamental verzierte Bögen und Türmchen sind zu erkennen. Dahinter Zypressen.
Quelle: Christina Grevenbrock
Wenige Friedhöfe haben eine spektakuläre Anfahrt, anders der Friedhof von Venedig, der malerisch auf eine eigene Insel in die Lagune gebaut wurde.

Venedig, Friedhofsinsel San Michele

San Michele ist eine teils künstliche, nahezu rechteckige Insel zwischen Venedig und Murano. Sie beherbergt elf lebendige Einwohner und zahllose Tote. Nach einer wechselvollen Geschichte bekam die Friedhofsinsel 1837 ungefähr ihre heutige Form und Funktion. Da der Platz aber schnell knapp wurde, wurde sie schon 1858 erweitert, zuletzt wurde 1998 David Chipperfield mit einer Erweiterung beauftragt.

Trotzdem sind die Liegezeiten für Normalsterbliche nicht sehr lang. Nach einigen Jahren werden die Toten wieder exhumiert und ihre Knochen gesammelt beigesetzt. Zahlreiche Urnengräber und Ossuarien, Beinhäuser, sowie die sparsam aber effektvoll eingesetzte Vegetation sprechen deutlich von einem sehr effizienten Umgang mit dem limitierten Raum.

Aber es gibt natürlich auch einige Ehrengräber: Hier liegen Igor Strawinsky und Ezra Pound, Ballettfans hinterlassen regelmäßig Spitzenschuhe am Grab von Sergej Djagilew, Naturwissenschaftler:innen geraten eher am Grab von Christian Doppler, dem Entdecker des Dopplereffekts, in Aufregung.

Christina

Mag Kunst, Gemüse und Nachhaltigkeit.

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