Als ich nachts wach werde und meine Finger brennen, geht ein Grinsen durch mein Gesicht. Yeah. Die Chili konnte was. Für mich als Innenstadtmensch mit begrenzter Wohnfläche, wohl aber einem Balkon, sind Chilis die geilsten Gewächse der Welt – aus drei einfachen Gründen.
Vor ein paar Jahren entdeckte ich meine Liebe zum Anbau von Capsicum Annuum & Verwandten. Es fing ganz profan damit an, dass noch Platz in den Balkonkästen war und das Saatgut in der Drogerie um die Ecke verkauft wurde. Scharf gegessen habe ich immer schon gern. Warum also nicht mal gucken, was daraus wird? Es wurde!
Ich habe weitaus größere Hobbys als Pflanzenanbau, würde mich daher überhaupt nicht als fanatischen Chilihead bezeichnen. Und dennoch möchte ich den scharfen Paprika-Varianten gern meine Liebe erklären.
1. Chilis sind pflegeleicht
Ich habe überhaupt keine Lust, viel Zeit und Mühe in die Aufzucht von Nutzpflanzen zu stecken. Da sind die genügsamen Chilis genau richtig. Klar, auch wenn die vergangenen Jahre immer wieder heiße Sommer brachten und sich diese Entwicklung dank Klimawandel noch fortsetzen dürfte: Capsicum-Gewächse sind natürlich keine genuin mitteleuropäischen Pflanzen. Dennoch ist es mir ohne Mordsaufwand immer wieder gelungen, ein paar stabile Gewächse heranzuziehen.
Dazu braucht es weder teures Equipment wie eine UV-Lampe noch einen strikten Zeitplan beim Gießen oder Auspflanzen. Auch ohne knallgrünen Daumen kriegt ihr ordentliche Pflanzen hin, sofern ihr den grundsätzlichen Fahrplan einhaltet. Der größte Aufwand, den ich bisher betrieben habe, ist, im Frühjahr die jungen Sträucher morgens auf den Balkon und abends wieder in die Wohnung zu stellen. Zu niedrige Temperaturen vertragen sie nämlich nicht, aber allmählich sollen sie wieder Sonne kriegen und sich ans Draußen gewöhnen. Außerdem finde ich die Maßnahme wichtig fürs Bonding.
Ein wachsames Auge auf die Chilis solltet ihr natürlich haben, denn Blattläuse und andere Plagegeister können lästig werden und im schlimmsten Falle den Pflanzen richtig schaden. Dagegen hilft unter anderem Knoblauchsud oder Wasser mit Spülmittel, mit dem die Pflanzen kräftig besprüht werden. Alles in allem traue ich allerdings auch sehr mäßig interessierten Hobbygärter:innen den Anbau zu. Ich habe es schließlich auch hinbekommen und bin tendenziell faul.
Und lasst euch nicht vom Begriff „einjährige Pflanze“ verunsichern: Das heißt nur, dass sie im Laufe eines Jahres geschlechtsreif wird und Früchte trägt. Chilis sind aber auch „ausdauernd“, was bedeutet, dass ihr mehrere Jahre daran Spaß haben könnt. So kam es dazu, dass ich am Ende der vergangenen Saison es nicht übers Herz brachte, die liebgewonnenen Sträucher zu entsorgen, sondern sie überwintere. Auch wenn das vermutlich mehr Hingabe erfordert, als im neuen Jahr neue Pflanzen heranzuziehen.
2. Chilis sind ergiebig
Sobald in einer Saison die eine oder andere Pflanze so weit ist, dass sie Früchte trägt, kann ich mich kaum noch vor Chilis retten. In guten Sommern habe ich so viel geerntet, dass ich stets die Auswahl zwischen frischen roten oder grünen Früchten hatte. Hier kommt’s erheblich auf die Sorte an; gerade Capsicum Chinense (die mit den berühmt-berüchtigten Habaneros) ist da gern mal etwas langsamer. Ab drei, vier Pflänzchen bekommt ihr allerdings eher zu viele als zu wenig Früchte ab.
Und genau das macht die Chili für mich zum besten, was ein Stadtbalkon bieten kann: Tomaten, Auberginen, Zucchini, Erdbeeren, auch Gemüsepaprika – alles schön und gut, aber da gibt’s bestenfalls ein, zwei Handvoll pro Saison und mal eine nette Dreingabe zum Abendessen. Bei Chilis kriegt ihr aber leicht eine vollständige Eigenversorgung hin, nicht nur eine Ergänzung. Denn allzu viele der scharfen Schoten könnt ihr eh nicht auf einmal verwenden, ohne dass euch der Kopf platzt. Sind übrigens eigentlich Beeren, so als unnötige Zusatzinfo.
3. Chilis sind vielseitig
Wenn ihr nun denkt „Was soll ich mit so vielen Chilis?“, seid beruhigt: Die Früchte lassen sich super einfrieren oder – ein bisschen abhängig von der Sorte – auch an der Luft oder im Backofen trocknen. Wäre ja schade, wenn die eigene kostbare Ernte verkommt. Wer möchte, kann sich auch an Einlegen in Öl, Verarbeitung zu Soße oder sogar Räuchern versuchen. Wie gut das klappt, habe ich bislang allerdings nicht ausprobiert. Ein paar Herausforderungen brauche ich noch.
Wenn ihr dann noch verschiedene Varianten der Capsicum-Pflanzen heranzieht, macht die Sache richtig Spaß. Ich war erstaunt, wie facettenreich verschiedene Sorten, Reifegrade und Zubereitungsarten schmecken können. Schärfe ist dabei nicht alles, aber ein bisschen Feuer muss für mich schon dabei sein.
Und zu guter Letzt ist da noch diese dusselige Freude, wenn im Hochsommer ein Strauch seine ganze Pracht zeigt und lauter Früchte in unterschiedlichen Reifegraden und Farben trägt. Daneben zu sitzen und selbstgemachte Tacos mit feuriger Würze aus eigenem Anbau zu genießen, lässt keine Frage mehr offen.