Warum nicht mal einen Wochenendtrip an die Ostsee und einen Mini-Städtetrip verbinden? Auf der Suche nach einem Ziel zwischen Berlin und Hamburg sind Jana und Martina in Wismar, Mecklenburg-Vorpommern, gelandet – ohne vorher viel über diese Stadt zu wissen.
Die unbekannte Hansestadt
Martina: Mitte August haben wir uns in Wismar getroffen – das liegt nicht ganz auf halbem Weg zwischen unseren Wohnorten in Hamburg und Berlin, ist aber eine Stadt, in der wir beide noch nie so richtig waren. Und wenn man bei Google nach Wismar sucht, wird einem die automatisch generierte Frage “Ist Wismar eine schöne Stadt?” vorgeschlagen. Wie würdest du das nach unserer kleinen Expedition beantworten?
Jana: Auf jeden Fall ist Wismar eine schöne Stadt. Hafenstädte haben bei mir sowieso immer einen Vorteil, aber als wir angekommen waren, sind wir erstmal von dem winzigen Hauptbahnhof, an dem auch nur Regionalzüge fahren, in Richtung Hafen gelaufen. Der Weg ging gleich durch die Altstadt – und die ist wirklich hübsch. Die Straßen und Häuser sind gut in Schuss, man sieht immer mal wieder eine überraschende Fassade, es gibt einige kleine Läden und Cafés und es war schon einiges los. Zumindest, als wir mittags da waren.
Von Backsteingotik und lustigem Latein
Martina: Ja, die kleinen Altbaustraßen mit gotischen Giebeln haben mir auch sehr gut gefallen – auch wenn es alles sehr sehr aufgeräumt wirkte, teilweise fast ausgestorben. Wenn in den hübschen Sträßchen und Gassen keine Menschenseele zu sehen ist, hat das für mich immer so etwas Kulissenhaftes. Was mich aber wirklich begeistert hat, ist die gigantische Nikolaikirche. Eigentlich bin ich nicht so der Fan von Backsteingotik, aber hat mich die Größe und Atmosphäre fast mehr beeindruckt als die bekannten Lübecker Kirchen, die für mich als Hamburgerin ja fast um die Ecke liegen. Wo wir gerade bei den Sehenswürdigkeiten von Wismar sind – du hattest Spaß an der Wasserkunst auf dem großen Marktplatz, nicht wahr?
Jana: Unbedingt. Das Bauwerk war ursprünglich für die Wasserversorgung von Wismar gedacht und trägt eine Inschrift in einem etwas abenteuerlichen Latein – an so was kann ich nie vorbeigehen! Auf dem Marktplatz sind wir eh mehrfach gelandet am ersten Tag. Vor allem, als sich im Laufe des Nachmittags die Straßen geleert haben. Auf dem Marktplatz hatten sie eine Bühne mit ein paar Ständen für Essen und Trinken aufgebaut und lauter Sitzsäcke auf dem Platz verteilt, auf die man sich einfach setzen konnte. Das zeigt mir einmal mehr, dass der öffentliche Raum mehr Aufenthaltsmöglichkeiten braucht, für die man nicht sofort Geld bezahlen muss – im Gegensatz zu der nach Ladenschluss wirklich fast ausgestorbenen Fußgänger:innenzone.
Tote Hose nach acht Uhr abends
Martina: Den chilligen Abend auf dem Marktplatz fand ich auch gut. Aber es hat sich auch wirklich sehr so angefühlt, als ob es das Einzige war, was die Stadt am Samstagabend noch angeboten hat. Selbst das italienische Restaurant, in dem wir zu Abend gegessen haben, hat um acht (!) Uhr zugemacht – gerade als wir noch ein nächstes Glas Wein, respektive Bier trinken wollten. Ich frage mich ja, ob viele dieser kleinen, pittoresken Städte dieses Schicksal teilen – die Innenstadt hübsch restauriert für die Tagestourist:innen, die für einen Kaffee, eine Stadtführung und ein paar Fotos vorbeikommen und sich dann wieder von dannen machen. Aber für die Einheimischen und Besucher:innen, die über Nacht bleiben, hat die Stadt dann nichts mehr zu bieten. Wer weiß, vielleicht haben wir auch nur das Viertel übersehen, in dem noch richtig die Post abging.
Jana: Das fand ich auch auffällig – es kamen ja sogar noch Leute, als wir am Zahlen waren, und wollten was essen. Vielleicht ist im Semester mehr los? Allerdings hat die FH Wismar auch nur 8.400 Studierende. Jedenfalls dachten wir uns dann, dass am Sonntag in der Stadt wahrscheinlich noch weniger los sein wird, und haben uns am nächsten Morgen zum Hafen begeben. Der ist an sich auch sehr hübsch, allerdings haben wir uns gefragt, warum an der Spitze des Piers nicht noch ein Café mit ein paar Sitzgelegenheiten ist. An dem Morgen wollten wir aber auch nicht ins Café, sondern mit der Fähre rüber zur Insel Poel.
Die Sache mit den Tagestouris
Martina: Genau, die Schifffahrt über die Wismarer Bucht war ein Highlight unseres Ausflugs. Von der Insel Poel hätte ich auch gerne noch viel mehr gesehen als Kirchdorf mit seinem idyllischen kleinen Hafen und der trutzigen Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert. Aber für einen Strandausflug gingen unsere Züge zurück nach Berlin und Hamburg dann leider doch ein bisschen zu früh. Dafür haben wir vom Guide auf der Bootstour spannende Informationen über Hafen und Geschichte von Wismar erfahren – neben der Story über die MV-Pleitewerft, in der nach dem Kauf durch Thyssenkrupp in absehbarer Zukunft keine Luxlusliner, sondern U-Boote gebaut werden sollen, fand ich die Info bezeichnen, dass der Kreuzfahrttourismus in Wismar dennoch weiter ausgebaut wird. Also kommen noch mehr Tagestourist:innen, die abends in der Innenstadt eh keine Pizza mehr essen, da sie dann schon wieder auf ihrem Schiff am Buffet sitzen?
Jana: Wahrscheinlich. Besser als nichts, nehme ich an, aber ein bisschen schade ist es schon, weil Wismar meiner Meinung nach definitiv eine Reise mit Übernachtung wert ist – wir hatten da jedenfalls ein schönes Wochenende.
Infobox Wismar: Eckdaten und Fun Facts:
- Wismar hat knapp 43.000 Einwohner:innen und liegt an der Wismarer Bucht. Die Insel Poel grenzt die Bucht von der offenen Ostsee ab.
- Die historische Hochphase der Hansestadt lag im Spätmittelalter – davon zeugen die zahlreichen gotischen Baudenkmäker.
- Vom dreißigjährigen Krieg bis ins 19. Jahrhundert befand sich Wismar unter schwedischer Herrschaft
- Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker “Nosferatu” von 1922 wurde teilweise in Wismar gedreht; neben Lübeck und Rostock dient die gotische Architektur als Kulisse für die fiktive Stadt “Wisborg”.