Alle Jahre wieder singen Milliarden Christ:innen und Nicht-Christ:innen Weihnachtslieder unter einem reich geschmückten Nadelbaum. Ab Ende November tauchen sie auf Verkehrsinseln, in Wohnräumen und Einkaufsstraßen auf. Es wurden sogar schon Exemplare an Baukränen und auf Fabrikgebäuden gesichtet. Kurzum: Die Vorweihnachtszeit ist ohne Tannenbaum kaum vorstellbar. Aber was ist der ökologische Fußabdruck dieser Tradition? Und welche Möglichkeiten gibt es, sie verträglicher zu gestalten?
Oh Tannenbaum
So richtig großartig ist es nicht, jedes Jahr für das kurzzeitige Weihnachtsfeeling Milliarden Bäume abzuholzen. Aber seien wir ehrlich: Kaum jemand ist bereit aus ökologischen Gründen ganz darauf zu verzichten. Zwar gibt es Menschen, die Holzgestelle, Kakteen oder Fici Benjamini dekorieren, aber die große Mehrheit setzt doch auf echte oder falsche Nadelgehölze.
Allein in Deutschland wurden nach Angaben des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustie zuletzt jährlich rund 30 Millionen echte Weihnachtsbäume verkauft. Zum Vergleich: Das sind fast genauso viele wie in den ganzen USA, in Großbritannien werden hingegen „nur“ rund 8 Millionen Bäume verkauft. Der gesamteuropäische Markt beläuft sich insgesammt auf rund 50 Millionen Bäume, die hauptsächlich in Deutschland, Dänemark und Frankreich produziert werden.
Gerade in den englischsprachigen Ländern und Polen sind aber künstliche Weihnachtsbäume weiter verbreitet als echte. 2018 wurden alleine in den USA 23,6 Millionen Plastikbäume verkauft. Da diese typischerweise über mehrere Jahre benutzt werden – Industrieangaben gehen von etwa 10 Jahren pro Baum aus – kann man davon ausgehen, dass die Mehrzahl der amerikanischen Haushalte nicht mit echten Bäumen dekoriert ist. Für Deutschland schwanken die Zahlen, hier sind nur zwischen 12 % und 22% der Bäume künstlich.
Die Geschichte des Weihnachtsbaumes
Seinen Siegeszug als DAS Weihnachtssymbol schlechthin trat der Weihnachtsbaum übrigens ab dem 15. oder 16. Jahrhundert von Nordeuropa aus an. Mehrere Länder behaupten von sich, Geburtsort des Weihnachtsbaums zu sein: Lettland, Estland und Deutschland nehmen dies für sich in Anspruch. Wobei Historiker:innen das (damals komplett deutsche) Elsass als wahrscheinlichsten Entstehungsort ansehen, was vielleicht auch den enormen Marktanteil an Tannenbäumen in Deutschland erklärt. Die Tradition, Bäume ins Haus zu holen, hat ursprünglich ältere, heidnische Wurzeln, die mit der christlichen Mythologie vermengt wurden.
Weihnachtliche Materialkunde
Grundsätzlich wird zwischen echten, also gewachsenen Weihnachtsbäumen, und künstlichen unterschieden. Für erstere werden hauptsächlich Tannen verwendet. Der Marktanteil der Nordmanntanne beträgt 80%, daneben werden auch Fichten und Kiefern gekauft.
Der Großteil der in Deutschland verkauften Bäume werden auch hier produziert. Nur rund 15% aller verkauften Weihnachtsbäume sind Importe. Die Tannen wachsen, oft unter intensivem Einsatz von Düngemitteln, Unkrautvernichter und Insektiziden, in Plantagen vornehmlich im Sauerland, dem Saarland und Schleswig-Holstein.
Solange sie wachsen, speichern die Bäume einerseits Kohlenstoffdioxid (CO2), andererseits müssen sie während der gesamten Wachstumsperiode mit Wasser versorgt werden und, zumindest im konventionellen Anbau, oben genannten Chemikalien. Deutlich besser sind Bio-Weihnachtsbäume, die ganz ohne diese Zusätze wachsen. Hier halten beispielsweise Schafe die Flächen Unkrautfrei und düngen sie ganz nebenbei mit ihren Ausscheidungen.
Rund 80% aller künstlichen Weihnachtsbäume weltweit werden in China produziert. Dabei stammt auch der künstliche Weihnachtsbaum ursprünglich aus Deutschland. Hier entstand die Idee, Gänsefedern grün zu färben und rund um einen „Stamm“ als künstliche Äste zu verwenden.
Kurzzeitig wurde in den USA auch von Ende der 50er Jahre bis zur Mitte der 60er Aluminium populär. Mittlerweile ist PVC das gängigste Material für künstliche Bäume. Laut Branchenangaben wird dafür seit einigen Jahren hauptsächlich recyceltes PVC genutzt. Wobei gerade in älteren chinesischen Modellen Blei als Stabilisator für das PVC benutzt wurde, heute sind Zinn oder Barium gebräuchlich. Das bedeutet aber auch, dass gerade betagtere Modelle, bei denen sich das PVC zu zersetzen beginnt, das gesundheitsschädliche Schwermetall abgeben.
Size matters
Tannenbaum ist nicht gleich Tannenbaum. Zwar wachsen die Nadelhölzer schnell, aber bis sie eine Höhe von zwei Metern erreicht haben, braucht es je nach Sorte acht bis zwölf Jahre. Eine lange Zeit, in der konventionelle Bäume in Plantagenaufzucht auch für umweltschädliche „Baumpflege“ verantwortlich sind. Generell gilt: je kleiner der Baum, desto jünger ist er und desto weniger Ressourcen sind in sein Wachstum geflossen.
Ähnlich verhält es sich natürlich auch bei künstlichen Bäumen. Je größer sie sind, desto mehr Rohstoffe stecken auch drin. Neben PVC ist hier Draht und ein Gestänge verbaut, teilweise auch Lichter und die zugehörige Elektrik. Mehr Masse bedeutet mehr Rohstoffe und größerer Transportaufwand. Für beide Bäume gilt: Je weiter die Transportwege sind, desto mehr Kohlenstoffdioxid wird auch dabei freigesetzt. Hier schlägt der regionale Echtbaum den chinesischen Fakebaum um Längen.
Entsorgung matters
In der Entsorgung der Bäume liegt aber der eigentliche Knackpunkt verborgen. Obwohl die Materialen der Plastikbäume über die Jahre besser geworden sind: Recyclen lassen sie sich bestenfalls theoretisch. Praktisch sind die Komponenten nur schwer voneinander zu trennen. Künstliche Bäume sind daher immer ein Fall für den Sperr- beziehungsweise Restmüll.
Geht der echte Holzbaum in die Müllverbrennung, ist er CO2-technisch bestenfalls eine Nullnummer. In fast allen Kommunen in Deutschland können die Bäume aber unkompliziert abgegeben werden und landen in Kompostieranlagen. Das ist ziemlich ideal. So wird das Kohlenstoffdioxid, das der Baum während seines Wachstums gespeichert hat, dem Boden zugeführt.
Neben der kommunalen oder privaten Kompostierung empfiehlt sich noch, die Weiterverwendung als Mulch oder als Rohmaterial für Upcycling-Projekte, auch dabei wird das Klimagas niht wieder freigesetzt. Biobäume können außerdem auch als Tierfutter an Zoos und ähnliches gespendet werden. Hierzulande ist jedenfalls eine klimagünstige Entsorgung des Echtbaumes nicht schwer und weit verbreitet.
Wie wird der Tannenbaum denn nun grün?
Damit sich die Produktion eines künstlichen Baumes aus Klimasicht rentiert, müsste er 20 Jahre wiederverwendet werden. Dies ist aber aufgrund der Schwermetallbelastung für ältere Bäume auch wieder nicht ratsam. Am Ende seiner Lebensdauer sind die Rohstoffe jedenfalls futsch. Nun gibt es fraglos Menschen, für die aufgrund ihrer Lebensumstände nur ein künstlicher Baum in Frage kommt. In dem Fall sollte auf ein jüngeres Herstellungsdatum und möglichst hochwertige Materialien geachtet werden, so dass der Baum auch wirklich über viele Jahre genutzt werden kann.
Echte Bäume „grün“ zu bekommen, ist deutlich einfacher. Biobäume sind zunehmend leicht zu finden. In manchen Regionen können Weihnachtsbäume sogar gemietet werden und wachsen nach dem Fest einfach weiter. Aber auch wem so ein Service nicht zur Verfügung steht oder wer aus anderen Gründen einen eigenen Baum will, kann das durchaus verantworten.
Wichtig ist, auf möglichst nachhaltige Wuchsbedingungen zu achten, kurze Transportwege, vielleicht einen etwas kleineren Baum zu wählen und ihn nach dem Fest möglichst ökologisch zu entsorgen. Wer einen kleinen regionalen Bioweihnachtsbaum kauft und nach dem Abschmücken kompostiert oder das Holz anderweitig nutzt, kann dies durchaus mit einigermaßen gutem Gewissen tun.
Interessant, wie viele Plastikbäume die letzten Jahre in den USA verkauft wurden. In meiner neuen Wohnung wird dieses Jahr zum ersten Mal Weihnachten gefeiert. Dafür muss ich mir noch beim richtigen Ansprechpartner eine gute Weihnachtstanne kaufen.