Ratten in der Stadt: Kontroverse Kulturfolger

Eine Ratte auf einem gepflasterten Weg richtet sich auf
Unsplash/Michelle Gordon

Von allen Kulturfolgern haben Ratten wohl den schlechtesten Ruf. Was treibt die Nager in die Städte, warum gelten Stadtratten auch heute noch als Schädlinge und wie gehen Städte und Gemeinden mit ihnen um?

Urbane Schädlinge

Wenn es zwischen U-Bahngleisen oder in vermüllten Ecken wuselt, läuft uns ein Schauer über den Rücken – nicht ganz zu Unrecht. Denn Ratten richten in der Stadt immer noch erheblichen Schaden an – sie nagen an Kabeln, fressen Lebensmittelvorräte, verunreinigen sie mit Kot oder bauen darin ihre Nester. Wenn sie uns zu nahe kommen, stellen wilde Ratten auch eine Gesundheitsgefahr dar. In Hamburg muss man Rattensichtungen deshalb zum Beispiel bei einer offiziellen Stelle melden. Solche Rattenverordnungen gibt es auch in anderen deutschen Städten.

Wie kamen die Ratten in die Stadt?

Wie Spatzen, Stadttauben und viele andere Arten sind Ratten Kulturfolger. Sie leben und vermehren sich erfolgreich in Städten, weil sie dort Lebensraum, ein reichhaltiges Nahrungsangebot und wenige natürliche Feinde vorfinden.

Seit der Antike fühlen sich die Nager in menschlichen Siedlungen wohl – vermutlich verbreiteten sie sich mit der Expansion des Römischen Reiches im Gepäck der Römer über ganz Europa. Mit den großen Pestepidemien der Spätantike und des Mittelalters, der Justinianischen Pest im 6. Jahrhundert und dem „Schwarzen Tod“ im 14. Jahrhundert, zeigte sich eine tödliche Konsequenz dieses Kulturfolgertums: Über Ratten (hier handelte es sich vermutlich um die Hausratte Rattus rattus, nicht um die erst später verbreitete Wanderratte), bzw. die auf ihnen lebenden Rattenflöhe, wurde das Pestbakterium Yersinia pestis übertragen.

Heute ist die Pest dank Antibiotika und Impfungen in der Regel keine Bedrohung mehr für den Menschen – ihren schlechten Ruf haben die Ratten jedoch behalten: Es gibt immer noch über hundert Krankheitserreger, die von wildlebenden Ratten, oder den auf ihnen lebenden Parasiten wie Flöhen und Zecken, auf den Menschen übertragen werden können, darunter das Hanta-Virus, Leptospira-Bakterien, Borrelien, Toxoplasmose und Salmonellen. Auch Tierseuchen wie die Schweinepest oder Geflügelpest können durch Ratten übertragen werden.

Eine braune Ratte bei Nacht am Rand eines GewässersQuelle: Unsplash/Matt Seymour
Wilde Wanderratten leben in der Nähe von Gewässern.

Wanderratten weltweit

Waren ursprünglich zwei Rattenarten Kulturfolger, die kleine Hausratte (Rattus rattus) und die größere Wanderratte (Rattus norvegicus), so sind die heute global in den Städten lebenden Tiere überwiegend Wanderratten. Eine zweifelhafte Erfolgsgeschichte – Wanderratten haben sich von ihrer ursprünglichen Heimat in Kleinasien über alle Kontinente mit Ausnahme der Antarktis ausgebreitet und bedrohen vor allem auf Inseln lokale Ökosysteme.

Das liegt nicht nur daran, dass Ratten Allesfresser sind – sie ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen, aber auch Vogeleier und Essensreste werden nicht verschmäht – sondern auch daran, dass sie sich sehr schnell vermehren: Wanderrattenweibchen haben eine kurze Tragzeit von ca. 3 Wochen, die Jungtiere sind nach ca. 3 Monaten geschlechtsreif. Rein rechnerisch kann eine einzige Stadtratte in einem Jahr 100 Junge zur Welt bringen, die sich wiederum fortpflanzen.

Unterirdische, mit Wasser geflutete TunnelQuelle: Unsplash/ Florian Olivo
In der Unterwelt finden Ratten Schutz vor Fressfeinden.

Ratten in der Kanalisation

Wanderratten sind dämmerungsaktiv und mögen es dunkel – in der Natur bauen sie unterirdische Gangsysteme, in denen sie in großen Rudelverbänden leben. In der Stadt finden sie überall dort ein Zuhause, wo es dunkle, geschützte Verstecke und ausreichend Nahrung gibt: in Parks, an Uferböschungen, auf Müllhalden und in Kellern, zu denen sie Zugang haben. Und natürlich in der Kanalisation – als einzige Säugetiere haben sich Wanderratten einen Lebensraum zwischen Fäkalien und Abwasser erschlossen, ein weiterer Grund für ihr schlechtes Image.

In der Kanalisation sind Ratten vor Fressfeinden geschützt und finden ein reiches Nahrungsangebot – vor allem aus Lebensmitteln, die über Hausabflüsse entsorgt werden. In bestimmten Fällen – wenn das Kanalsystem überflutet ist, das Nahrungsangebot eng wird oder wenn Lebensmittel in der Toilette entsorgt werden, kann es tatsächlich passieren, dass Ratten aus den Abwasserleitungen in eine Wohnung gelangen, sogar in die oberen Stockwerke eines Hauses. Die Horrorvision der Ratte aus dem Klo ist also kein Mythos. Über bauliche Maßnahmen wie sogenannte Rückstauklappen kann dies jedoch verhindert werden. Generell gilt: auf keinen Fall sollten Lebensmittel über das Klo entsorgt werden, auch kein Tierfutter.

Ratten in der Stadt bekämpfen und vorbeugen

Solange Ratten in unseren Städten kaum natürliche Feinde haben und Krankheiten übertragen, bleibt das Verhältnis zwischen Menschen und den langschwänzigen Kulturfolgern schwierig. In der Regel führt kein Weg daran vorbei, Rattenbefall mit entsprechenden Maßnahmen zu bekämpfen. Dieses Rattenmanagement übernehmen am Besten professionelle Schädlingsbekämpfer:innen.

Rattengift ist nach wie vor eine der wichtigsten Bekämpfungsmethoden – mit der unschönen Folge, dass die Rodentizide nicht in der Ratte verbleiben, sondern sich auch auf andere Tiere verteilen. Rattengift wurde unter anderem in Singvögeln, Igeln und Fischen nachgewiesen, in geringen Mengen auch im Abwasser. Mechanische Fallen lernen Ratten schnell zu vermeiden, wenn sie verendete Artgenossen in ihnen entdecken.

Umso wichtiger ist es, einem Rattenbefall vorzubeugen – vor allem, indem man keine Lebensmittel im öffentlichen Raum wegwirft, Abfallbehälter gut verschließt und nicht gefressenes Vogelfutter rechtzeitig entfernt. Haus- und Wohnungsbesitzer:innen sollten darauf achten, dass Keller- und Dachbodenräume gut abgedichtet sind, so dass die Schädlinge nicht eindringen können.

Schwarz-weiß-gefleckte Farbratte vor weißem HintergrundQuelle: Unsplash/Aleksandr Gusev
Im Gegensatz zu ihren wilden Artgenossen, übertragen als Heimtiere gehaltene Farbratten keine Krankheiten.

Harmlose Farbratten

So sehr man Begegnungen mit Ratten in der Stadt vermeiden sollte – ihre zahme Verwandtschaft lässt sich als Haustier halten. Farbratten – sie stammen von Wanderratten ab, die im 19. Jahrhundert domestiziert und erst als Zirkustiere, dann als Labortieren gezüchtet wurden – sind intelligent, verspielt und sozial.

Farbratten sind als Heimtiere nicht unhygienischer als andere Nagetiere. Aufgrund ihres ausgeprägten Sozialverhaltens sind sie sogar interessierter am Menschen und lassen sich lieber kuscheln als ein Meerschweinchen oder Kaninchen. Einziger Wermutstropfen: Leider haben Ratten auch als Heimtiere nur eine Lebenserwartung von etwa zwei Jahren, ihre Anfälligkeit für Tumore liegt unter anderem an der ursprünglichen Laborzucht. Mehr über Farbratten als Heimtiere erfahrt ihr zum Beispiel hier oder hier.

Martina

Mag Architektur, Tiere und Internetkultur

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