Was genau macht eine „Stadt“ aus? Was unterscheidet eine englische City von einer Town? Auf Definitionssuche zwischen Marktplätzen, Kathedralen und Stadtmauern.
Antike Stadtmauern
Schon das Lateinische kannte unterschiedliche Bezeichnungen für Orte, an denen mehrere Menschen leben. Da gibt es einmal das Dorf (vicus). Wenn der Ort befestigt ist, spricht man von einer Stadt (oppidum). Darüber hinaus gibt es noch das Wort urbs für eine große Stadt – in erster Linie Rom. Wohlgemerkt sind die Grenzen zwischen oppidum und urbs fließend: Auch Städte wie Athen können mitunter als urbs bezeichnet werden, oder Städte mit einer sogenannten Ringmauer – also eine Mauer, die einmal rund um die ganze Stadt verläuft.
Überreste solcher Stadtmauern gibt es nicht nur in Rom – die einzigen noch vollständigen römischen Mauern stehen im spanischen Lugo (Lucus Augusti) und gehören zum UNESCO Weltkulturerbe. Auch im englischen Chester (Deva Victrix) kann man auf der größtenteils intakten römischen Mauer um die (Innen-)Stadt herum spazieren, obwohl die Instandhaltung dieser Mauern eine zunehmende Herausforderung darstellt.
Großbritannien: City vs. Town
Im Englischen gibt es ebenfalls zwei Begriffe für Städte: City und Town. Historisch gesehen ist eine britische City eine Stadt mit Bischofssitz. Deswegen ist Canterbury mit seiner Kathedrale und dem Sitz des Erzbischofs der anglikanischen Kirche trotz der vergleichsweise beschaulichen 55.000 Einwohner:innen eine City und Bournemouth mit 183.000 Einwohner:innen – mangels Kathedrale – eine Town. Auch eine Großstadt wie Milton Keynes (229.000 Einwohner:innen), die in den 1970ern im Rahmen des New Town Programms errichtet wurde, ist bis heute offiziell eine Town.
Es gibt aber auch andere Wege, in Großbritannien eine City zu werden – die Queen verleiht zu besonderen Jubiläen ihrer Krönung sogenannte civic honours. Dazu gehört insbesondere der „City Status“, auf den sich „würdige“ Städte bewerben können. Sowohl Bournemouth als auch Milton Keynes sind bei der nächste Verleihung zum Platin-Jubiläum im Frühjahr 2022 im Rennen.
Deutschland: Größere Siedlungen mit Markt
Anders als im Englischen hat das Deutsche keine kathedralenbedingte Unterscheidung in verschiedene Stadtbegriffe. Ausschlaggebend für eine Differenzierung zwischen Groß- und Kleinstädten sind die Einwohner:innenzahlen (Großstadt: mehr als 100.000; Kleinstadt: 5.000 – 20.000). Die deutsche „Stadt“ wird vom Duden in erster Linie als „größere, dicht geschlossene Siedlung, die mit bestimmten Rechten ausgestattet ist“ definiert.
Historisch gesehen ist besonders das mittelalterliche Marktrecht wichtig, also das Recht, im Ort einen (ständigen) Markt abzuhalten. Welchen Einfluss Märkte auf Siedlungen hatten, ist zum Beispiel hier für Hamburg nachzulesen. Ein Ort kann sein Stadtrecht auch wieder verlieren, meistens durch Eingemeindung (die Bezirke Berlin-Lichtenberg und Hamburg-Altona zum Beispiel waren früher eigenständige Städte).
Heutzutage ist der Stadtbegriff wohl in erster Linie ein Marketing Tool, wie auch die Suche nach der kleinsten Stadt der Welt zeigt. Aber eine einheitliche Definition, was genau einen Ort zu einer Stadt, City oder Urbs macht, gibt es nicht.