Ein Stadthäuschen für „Zorro“: Rettet den Gartenschläfer

Ein Gartenschläfer sitzt auf einem Baumstamm
BUND/Jiri Bohdal, Projekt "Spurensuche Gartenschläfer"

Gartenschläfer sind Bilche, kleine Verwandte des Siebenschläfers mit einer Vorliebe für Obst und Schnecken. Lange waren die drolligen Tierchen eine Allerweltsart, sogar mit Tendenz zum „Schädling“. Heute gibt es nur noch wenige und die Spezies ist bedroht. Wer einen Garten besitzt, kann den Gartenschläfern jedoch helfen. Im Gastbeitrag von Sigrid Tinz erfahrt ihr, wie das funktioniert.

Was ist ein Gartenschläfer?

Gartenschläfer? Nie gesehen! Das werden vermutlich die meisten sagen. Was gut sein kann, denn erstens sind die Tierchen nachtaktiv, zweitens einen guten Teil des Jahres im Winterschlaf. Hören kann man sie schon eher, sie quieken, pfeifen, zischen und murmeln, vor allem in der Paarungszeit ab Mai.

Gartenschläfer sind kleine Nagetiere: Bilche um genau zu sein. Optisch erinnern sie an eine Mischung aus Mäusen und Hörnchen, mit großen Augen, kleinen Ohren und einem puscheligen Schwanz. Weltweit gibt es rund 30 Arten. Die bekannteste bei uns ist der Siebenschläfer, die kleinste die Haselmaus und die niedlichste der Gartenschläfer. Viele nennen ihn „Zorro“ und dieser Spitzname kommt nicht von ungefähr, sein Fell sieht im Gesicht aus wie eine Maske. Wer ihn sieht, muss einfach lächeln!

Allen Bilchen gemeinsam ist, dass sie wirklich viel schlafen: Bis zu acht Monate dauert der Winterschlaf. In dieser langen Zeit fressen sie nichts. Umso mehr Nahrung brauchen sie im Herbst, um sich darauf vorzubereiten. Nüsse und Bucheckern, Brombeeren, Knospen und Blüten, Samen und Früchte, außerdem Vogeleier und natürlich Insekten, egal ob Blattwespenraupen oder Käferlarven. Bilche sind wie kleine Heckenschweinchen – Allesfresser. Hauptsache viel und Hauptsache viel Abwechslung.

Auch Schnecken gehören zum Speiseplan des Gartenschläfers, sogar dicke Weinbergschnecken und auch Nacktschnecken. Mit einer speziellen Technik entfriemelt der Gartenschläfer sie vom Schleim, bevor er sie genüsslich verspeist.

Eine Weinbergschnecke kriecht über einen Stein, rechts von ihr eine große lila BlüteQuelle: Sigrid Tunz
Schnecken-Snack: Der Gartenschläfer verzehrt auch gerne mal eine große Weinbergschnecke.

Im 19. Jahrhundert galten Gartenschläfer als Schädlinge

Ein solcher Sympathieträger war der Gartenschläfer aber nicht immer. So schrieb der Zoologe Alfred Brehm im 19. Jahrhundert etwa: „Der Gartenschläfer ist ein verhaßter Gast in Gärten, in denen feinere Obstsorten gezogen werden. Ein einziger reicht hin, eine ganze Pfirsich- oder Aprikosenernte zu vernichten. Bei seinen Näschereien zeigt er einen Geschmack, welcher ihm alle Ehre macht. Nur die besten und saftigsten Früchte sucht er sich aus, benagt aber oft auch andere, um sie zu erproben, und vernichtet so weit mehr, als er eigentlich frißt. Es gibt kein Schutzmittel, ihn abzuhalten; denn er weiß jedes Hindernis zu überwinden, klettert an den Spalieren und Bäumen hinan, schlüpft durch die Maschen der Netze, welche über sie gespannt sind, oder durchnagt sie, wenn sie zu eng gemacht wurden, stiehlt sich selbst durch Drahtgeflechte. Bloß dasjenige Obst, welches spät reift, ist vor ihm gesichert; denn um diese Zeit liegt er bereits schlafend in seinem Lager. Da er nun den Menschen nur Schaden zufügt und weder durch sein Fleisch noch durch sein Fell den geringsten Nutzen bringt, wird er von Gartenbesitzern, welche am empfindlichsten von ihm gebrandschatzt werden, eifrig verfolgt und vernichtet.“

Ein Gartenschläfer in Nahaufnahme vor grünem HintergrundQuelle: BUND/Jiri Bohdal, Projekt "Spurensuche Gartenschläfer"
Süß, aber mittlerweile leider sehr selten: Der Gartenschläfer

Der Gartenschläfer steht auf der Roten Liste

Aus der Sicht von heute kann man sagen: Das hat leider gut funktioniert. Gartenschläfer sind extrem selten geworden. Seit einigen Jahrzehnten sind die kleinen Bilche fast verschwunden. In der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands ist die Art als stark gefährdet eingestuft und in vielen Regionen ist der Gartenschläfer bereits verschwunden.

Warum das so ist und wie dem Gartenschläfer geholfen werden kann, darum geht es im von Bundesmitteln geförderten Projekt „Spurensuche Gartenschläfer. Durchgeführt wird es vom BUND, der Justus-Liebig-Universität Gießen und von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Warum die Lebensräume schwinden

In seinen eigentlichen Lieblingslebensräumen – Mischwäldern, Streuobstwiesen, Heckenlandschaften – gibt es kaum noch Gartenschläfer. Denn im Grunde gibt es diese Lebensräume gar nicht mehr. Statt gemischter Wälder existieren vielerorts nur noch Holzplantagen, die mit schwerem Gerät bewirtschaftet werden. Streuobstwiesen sind unwirtschaftlich, werden abgeholzt oder sich selbst überlassen und wachsen zu. Morsche Bäume mit Löchern und loser Rinde werden gefällt, weil sie unwirtschaftlich sind und gefährlich. Laub wird generalstabsmäßig weggesaugt und -gepustet, Ruinen werden abgerissen oder saniert, die kleinste Lücke in Mauern und Dächern aus Wärmeschutzgründen zugedämmt. Holzpfähle in Weinbergen und auf Viehweiden durch langlebigere aus Beton ersetzt. Die Landwirtschaft braucht große Felder, die gut mit Maschinen zu befahren sind – Hecken stören da nur, „Unkraut“ und „Ungeziefer“ sowieso.

Früher zogen sich Hecken kreuz und quer durchs Land, entlang von Wirtschaftswegen, als Grenze für Ländereien, als Windschutz, Brennholzlieferant, fürs Körbeflechten und die Wildfruchternte. Hecken sind – beziehungsweise waren – nicht nur Wohnstatt, Jagdrevier und Nahrungsquelle für Gartenschläfer, Bilche allgemein und tausende andere Tierarten, sondern auch deren Verbindungsnetzwerk. Entlang der grünen Korridore konnten sie bequem von Lebensraum zu Lebensraum wechseln, große Tiere direkt, kleine Arten generationenweise. Wandernde, seltene Arten brauchen sie unbedingt als sogenannte „Trittsteinbiotope“. Und auch die Allerweltsarten fallen nicht vom Himmel und landen in einem neuen Lebensraum Sondern erobern sie sich oft aus der Hecke.

Der Garten als Ersatzlebensraum

Aber es gibt Ersatzlebensräume, auch das hat das Projekt „Spurensuche Gartenschläfer“ ergeben. Gut leben Gartenschläfer in allen dicht und abwechslungsreich bewachsen Gebieten, in denen es Verstecke gibt, um Hauskatzen, Mardern, Ratten und Greifvögeln aus dem Weg zu gehen und wo Gartenschläfer genügend Futter finden.

Ideal sind unter anderem Kleingarten-Anlagen, Parks und Friedhöfe. Im Rhein-Main-Gebiet zum Beispiel leben deshalb Gartenschläfer auch in Großstädten. Privatgärten werden von Gartenschläfern ebenso gern bewohnt, wenn sie ihren Bedürfnissen entsprechend gestaltet sind.

So wird dein Garten Gartenschläfer-gerecht

Den Gartenschläfer in deinem Garten willkommen zu heißen, ist gar nicht schwer. Wichtig sind folgende Punkte: Nicht mit Gift vorgehen gegen Pflanzen, Insekten oder anderes was wir Menschen als Schädlinge einstufen; als Allesfresser ist der Gartenschläfer oft direkt betroffen.

Auch Schlagfallen für Mäuse und Co vermeiden, denn der Leckerbissen lockt auch Gartenschläfer in den Tod. Und: Regentonnen, Teiche und andere Wasserstellen so sichern, dass ein trinkender Gartenschläfer nicht hineinfallen – und ertrinken kann. Wer seinen Garten so gartenschläfertauglich gestaltet, der hilft übrigens auch vielen andern Arten – ein kleiner Trost, falls es nicht gelingt, einen der Bilche anzulocken.

Willkommen fühlt sich der Gartenschläfer besonders, wenn er viele Rückzugsmöglichkeiten hat. Ein Bilch braucht viele „Zimmer“: als Tagesversteck mal hier mal da, fürs Winterquartier und als Nisthöhle. Sie bauen sich kleine Kugeln im Gebüsch, kuscheln sich in verlassen Mauselöcher, stopfen sich Lücken im Brennholzstapel mit Moos, Federn und Fell aus. Die Tierchen nutzen sogar Vogelhäuschen. Weil sie wirklich sehr klein sind, passen sie durch meisengroße Einstiegslöcher. Wer Vogelhäuschen draußen hängen hat, sollte deshalb beim winterlichen Reinigen daher vorsichtig sein. Vielleicht schläft ein kleiner „Zorro“ darin. Damit Gartenschläfer genügend Nistmaterial finden können, sollte im Garten nicht zu viel Ordnung herrschen.

Das Aufwecken aus dem Winterschlaf ist für den Gartenschläfer gefährlicher, als man vielleicht denken mag. Die Tierchen verlieren sehr viel Energie, wenn sie wach werden und sie finden selten eine neue Bleibe, um dort weiterzuschlafen bis es Frühling ist.

Auch in Schuppen oder auf Dachböden quartieren sich Gartenschläfer ein – worüber Mensch dann oft nicht begeistert ist. Denn im wachen Zustand sind Gartenschläfer laut, wild, und machen als Insektenfresser ziemlich viel Dreck. In dem Fall ist es erst recht eine gute Idee, den Tieren möglichst viel Lebensraum im Garten zu schaffen, damit sie sich draußen wohler fühlen als drinnen.

Wer helfen möchte, kann den Gartenschläfern auch einen speziellen Kasten zum Schlafen anbieten. Die gibt es zu kaufen aber sie lassen sich auch selber bauen. Perfekte Bilchkästen haben eine Besonderheit: Das Eingangsloch weist nicht nach vorne, sondern zum Baumstamm oder zur Schuppenwand. So kann das Kerlchen beim Klettern gleich reinschlüpfen. Und: das Holz sollte aus rauem, ungehobeltem Holz sein, demit die jungen Gartenschläfer besser herauskraxeln können, wenn sie bereit sind, ihre Welt zu erkunden. Vielleicht ja in eurem Garten.

Zwei hohe Nistkästen aus Holz, auf dem Dach des einen sitzt ein Plüsch-GartenschläferQuelle: Sigrid Tinz
Vielleicht zieht in so einen Kasten bald auch ein echter Gartenschläfer ein.

Crowdfunding „Rettet die Gartenschläfer“

Sigrid Tinz hat nicht nur ihr Herz an Gartenschläfer verloren, sondern möchte ihnen auch Häuschen anbieten. Dafür hat sie ein Crowdfunding gestartet, um Gartenschläfernistkästen herstellen zu können und einen Onlinekurs mit vielen Informationen zu konzipieren.

„Mit der Unterstützung der Crowd kann ich die Nistkästen anschaffen, den Onlinekurs fertigstellen und damit real und digital auf Tour gehen“, sagt sie. „Bezahlen sollen die Menschen nur die Kosten für einen solchen Gartenschläferkasten; meiner Erfahrung nach bezahlen Menschen lieber für Dinge als nur für Wissen. Und manche können auch einfach nicht viel Geld bezahlen für mein Referentinnenhonorar. Aber vielleicht besteht gerade bei ihnen viel Interesse. Dann wäre es schade für den Gartenschläfer, wenn es am Geld scheitert.“ Und für viele andere Arten auch.

Den Link zur Crowdfundaktion findet ihr hier. Wer Fragen hat, kann Sigrid per Mail erreichen unter redaktion@krautundbuecher.de oder auf ihrem Instagramaccount @kraut_und_buecher.

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