Es sind Sommerferien, typische Urlaubszeit und doch inmitten einer weltweiten Pandemie und ziemlich schwanger sind unsere Urlaubsziele eingeschränkt. Weil das Gute ja bekanntlich nahe liegt, entscheiden wir uns für einen Urlaub im niedersächsischen Nirgendwo, zwischen Emden und Norden, Kühen, Feldern und Deichen.
Wie vielen anderen Menschen ging es uns in diesem Jahr bei der Urlaubssuche: Wir wollten raus. Was anderes sehen. Und gleichzeitig kein Risiko eingehen. Nicht zu weit fahren, das Ausland aussparen, weil die Corona-Regelungen kurzfristig, unübersichtlich und unklar waren. Selbst die Frage, ob wir wohl aus dem eigenen Bundesland raus könnten, war im Mai, als wir die Reise buchten, nicht zweifelsfrei zu beantworten.
Dazu kommt die Frage, wie wir unseren Urlaub möglichst nachhaltig und nicht auf Kosten von Natur und Umwelt gestalten können. Bahnfahren kommt dabei leider aufgrund von Pandemie und Gepäck nicht in Frage, wir wollen also an anderen Ecken besonders aufmerksam sein.
Eigentlich lieben wir Stadturlaub in mehr oder weniger schicken Hotels. Sich morgens an den gedeckten Frühstückstisch setzen, das Bett gemacht bekommen, eine neue Stadt entdecken und abends nach leckerem Essen wieder in die Federn plumpsen: So reisen wir am liebsten. Mit Kleinkind ist das aus verschiedenen Gründen nicht optimal und auf zu viele Menschen auf einem Haufen wollten wir ja nun verzichten.
Da kam uns die Empfehlung einer Freundin, “Urlaub im Denkmal” zu machen, gerade recht. Ostfriesland stand bei unseren Wunschzielen eigentlich nicht besonders weit oben auf der Liste und von unseren drei Kriterien “Strand vor der Tür”, “möglichst autofrei” und “hübsch” erfüllte der ehemalige Hof erstmal nur “hübsch” – das aber nach Betrachtung der Homepage und Kontakt zum netten Team in einem Umfang, dass wir uns auf unser Abenteuer “raus aus der Stadt, rein in die Pampa” einlassen wollten.
Das Denkmal: Der Klein Schulenburger Polder
Der nicht mehr landwirtschaftlich genutzte Hof “Klein Schulenburger Polder” stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde liebevoll und fachmännisch nach den Funden von 1842 restauriert. Von den fünf Wohnungen belegen wir das “Melksett” im alten Kuhstall.
Unsere Erfahrungen mit deutschen Ferienwohnungen waren bisher immer eine Mischung aus Kleinlichkeit – die berühmten zwei Spülmaschinentabs, die vom Vermieter bereitgelegt werden –und dem, was in den 90ern vielleicht mal von jemandem als “schick” empfunden wurde. Hier ist das anders, durchdachter, liebevoller: neben der Küchenzeile steht ein altes Buffet, neue Töpfe neben Second Hand-Geschirr von Villeroy und Boch. Alles fügt sich harmonisch zusammen und sogar eine Teekanne mit Stövchen – in Ostfriesland besonders wichtig – ist für meinen Thiele-Tee da.
Wir fühlen uns sofort wohl in unserem Zuhause auf Zeit. Auch das Kind ist begeistert und fällt direkt von der Terrasse in ein Sandkastenboot, aus dem es zunächst nicht wieder rauszukriegen ist.
Der parkähnliche Garten lädt an verschiedenen Stellen zum Verweilen ein und weil die nächsten Wohnhäuser 600m entfernt sind, kann auch der Dreijährige gefahrlos einigermaßen selbständig auf Erkundungstour gehen. So ist für uns alle was dabei und wir lassen die Seele baumeln.
Unsere Aktivitäten und Entdeckungen: Was Ostfriesland so zu bieten hat
Ostfriesland wird grün – Nachhaltigkeit leicht gemacht
Der Nachteil an einer Ferienwohnung ist, dass sich der Mensch selbst um sein Essen kümmern muss. Was wir an Nachhaltigkeit in unseren Alltag integriert haben, wollen wir im Urlaub nicht (völlig) hinten runter fallen lassen, um Abstriche in der B-Note fürchten wir aber nicht herumzukommen. Im Gepäck haben wir Nudeln, Oliven, Pesto, Aufbackbrötchen, unsere selbstgemachte Marmelade, etwas Gemüse und Getränke für die ersten beiden Abende.
Wenigstens Milch möchten wir fürs Kind aber gerne noch frisch besorgen. Da kommt uns der Hofladen des nahegelegenen Hofs Habbena ganz gelegen, der dank Automat von 6 bis 22 Uhr geöffnet ist. Wir bekommen direkt vom Erzeuger neben Milch aus der Milchtankstelle auch noch Butter, Käse, Eier, regionalen Honig und köstlichen Joghurt. Einem Sonntagsfrühstück steht also nichts im Wege.
Touristische Entdeckungen
In den folgenden Tagen besuchen wir das Fischerdörfchen Greetsiel. Hier ist es allerdings leider von Tourist:innen völlig überschwemmt, weswegen wir es bei einem kurzen Spaziergang auf dem Deich belassen. Das Kind ist von den Fischerbooten dennoch ziemlich beeindruckt.
Wir fahren außerdem nach Emden, das uns neben dem Besucherprogramm aus Hafenrundfahrt und Fischbrötchen mit dem Unverpacktladen Jute Seele positiv überrascht. Neben selbst mitgebrachten Gefäßen stehen gespendete in einem Tauschregal bereit. Für uns Urlauberinnen ist das natürlich eine zusätzliche Hilfe beim Einkauf. Der Markt, der dienstags, freitags und samstags von acht bis eins stattfindet, ergänzt unseren Einkauf um Frisches und Fisch.
Norden – mehr als nur “Wasser weg”
Während wir Eltern der Nordsee zwar skeptisch gegenüberstehen – “das Meer ist ja nie da” – wollen wir dem Kind doch das Phänomen der Gezeiten gerne näher bringen. So fahren wir zwei Mal nach Norden, einmal zur Flut und einmal zur Ebbe. Baden kommt beim jüngsten Familienmitglied sowieso immer gut an, der Spaziergang auf dem Meeresboden ist aber etwas ganz Besonderes.
Wir sammeln Muscheln, beobachten Krebse und sind am Ende auch dank des Ostfriesischen Wetters schlammig und nass. Von hier aus haben wir zwei Möglichkeiten, den Besuch der Seehundstation oder das Waloseum, das neben dem Skelett eines Pottwals die Quarantänestation für Seehunde und Heuler beherbergt. Gemeinsam mit Blick auf das Wetter entscheiden wir uns für letzteres. In verschiedenen Räumen im ehemaligen Gebäude des Norddeich Radios gibt es zudem Informationen zu den Bewohnern der Nordsee und der Vogelwelt der Nordseeküste.
Die Aquarien und die Heuler haben es dem Kind besonders angetan, wir Erwachsenen dagegen sind ein bisschen enttäuscht: Einerseits werden Plastikkonsum und die Vermüllung der Meere thematisiert, statt eines Cafés gibt es dann aber nur einen Automaten mit in Plastik verpackten und nicht nachhaltig oder fair produzierten Snacks. Hier hätten wir uns eine konsequentere Linie gewünscht. Insgesamt ist das Waloseum in Osterloog einen Besuch wert und mit vielen Eindrücken und müdem Kind fahren wir zurück in unser Zuhause auf Zeit.
Unsere Bilanz: manchmal weiß man vorher gar nicht, was man braucht
In Kurzform lässt sich sagen: Es war herrlich! Der Hof ist einfach zauberhaft und wir möchten gerne wieder kommen. Vielleicht sogar mit ein bisschen mehr Zeit, denn in Ostfriesland gehen die Uhren anders und das ist für eine Pause aus dem Alltag genau das, was wir immer wieder brauchen. Während wir erst dachten, sechs Tage wären lange genug, haben wir gar nicht alles gesehen, was auf unserem “Wunschzettel” stand. Vor allem die direkte Umgebung des Polders ist auf der Strecke geblieben (wofür wir dann doch das Ostfriesische Wetter verantwortlich machen wollen).
Wie erwartet geht es ohne Auto nicht. Das wäre aber natürlich insgesamt viel zu einfach gedacht. Im Klein Schulenburger Polder gibt es beispielsweise Leihräder, andere Gäste haben auch ihre eigenen Fahrräder dabei. Ostfriesland ist geradezu prädestiniert für einen Fahrradurlaub, der aktuell für uns einfach nicht in Frage gekommen ist. Weil aber der Hof so mitten im Nirgendwo liegt, waren wir mit dem Auto überall schnell und haben für den gesamten Urlaub mit An- und Abreise gut 700 km zurückgelegt.
Unerwartet gut konnten wir nachhaltig einkaufen. Das war viel einfacher, als wir es uns gedacht hatten. Der Hofladen, der Markt und der Unverpackt-Laden haben uns den Aufenthalt erleichtert und so haben wir im Urlaub nicht (viel) mehr Müll produziert als Zuhause.
Sowohl für unser Kind als auch für uns waren die Abgelegenheit und Weite schlussendlich doch genau das, was uns gut tat; wenn es so hübsch um uns herum ist, brauchen wir gar nicht viel mehr. Wer hätte das gedacht.