Durch Reallabore an prominenten Stellen in Münster soll in den kommenden zwei Jahren ein praktischer Eindruck von der Innenstadt der Zukunft entstehen. Wie die aussieht? Grün, gemütlich und möglichst autofrei. Zahlreiche Mitmachaktionen holen die Münsteraner:innen mit ins Boot.
Eine Stadt im Wandel: als solche wird Münster im Rahmen der städtischen Initiative „Münsters Mitte Machen“ interpretiert und vorgestellt. Dabei soll jede:r die Möglichkeit haben aktiv an der Transformation teilzuhaben und seine ganz eigenen Ideen mit einzubringen. Es wird also erst einmal viel ausprobiert und nachgebohrt, bevor es in die tatsächliche Umsetzung geht.
Eis statt Stress: Neue Flächen für Begegnungen
Los ging es in der Hörsterstraße und am Bült, wo sich Passant:innen, Radfahrende, Autos und Busse in der Regel dicht an dicht drängen und besetzte Parkflächen am Straßenrand die Durchfahrt zusätzlich erschweren. Die Lösung? Autos und Busse verschwinden für eine Weile aus dem Stadtbild und machen Platz für Fahrradstellplätze und Sitzgelegenheiten, die zum gemütlichen Verweilen einladen.
Besonders bemerkbar machen sich die Umstellungen am kleinen Parkplatz vor der Eisdiele Raphaels: Wo früher Autos die ganze Fläche für sich beanspruchten, bieten nun Holztische und -bänke Gelegenheit, das Eis in aller Ruhe aufzuschlecken und miteinander ins Gespräch zu kommen. Rasenteppich, ein Sandkasten und das „Mobile Grüne Zimmer“, ein schattiges Plätzchen, das auf die Wirkung städtischer Begrünung hinweist, runden das Ganze ab und verwandeln den Parkplatz in einen wunderbaren Aufenthaltsort an schönen Sommertagen.
Neue Regeln für ein neues Miteinander
Ein wenig komplizierter erwies sich der Verkehrsversuch in der Wolbecker Straße. Als eine der Hauptverkehrsadern von Münster ist hier im Vergleich zum Bült nochmal ein wenig mehr los und die Vorstellungen darüber, wie die Wolbecker Straße der Zukunft aussehen könnte, gehen teils weit auseinander. Während viele sich für die sukzessive Verbannung des Autos aus der Innenstadt aussprechen, befürchten Pendler:innen und Anwohnende nachvollziehbarerweise längere Distanzen vom geparkten Auto bis zu den eigenen vier Wänden.
Besonders hier wird der Vorteil schnell klar, den das Konzept des Reallabors mit sich bringt. Veränderungen geschehen erst einmal unter Vorbehalt, sie sind umkehrbar und die von den Maßnahmen unmittelbar Betroffenen sehen sich nicht mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, sondern können sich jederzeit in den Prozess miteinmischen.
Eine interaktive Karte auf der Webseite von „Münsters Mitte Machen“ soll Münsteranerinnen und Münsteraner beispielsweise dazu animieren, eigene Einfälle und Visionen miteinzubringen. Was macht Münster einzigartig? Wo sind persönlichen Lieblingsplätze? Und wo hakt es vielleicht noch? Die eingetragenen Überlegungen können allgemeiner Art sein, sie können aber auch einer bestimmten Kategorie zugeordnet werden und sich zum Beispiel auf den Verkehr, den Handel oder öffentliche Plätze konzentrieren. Ein interessantes Tool über das sich das Projekt ‚Münsters Innenstadt der Zukunft‘ auf einem Blick in seiner ganzen Komplexität und Vielfalt darstellen lässt.
Freie Bahn zum Schlendern
Während der zehn Tage, die das Reallabor andauerte, sind die Radfahrenden auf die Straße umgezogen. Wer mit dem Auto unterwegs war, musste also besonders Rücksicht nehmen. Eine neue Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h diente dazu, dass beide Parteien sich besser vertragen.
Ein Spaziergang durch die Wolbecker Straße als Stichprobe hat jedoch gezeigt, dass die testweise vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht von allen gleichermaßen ernst genommen wurde. Von mir als solche identifizierte Rentner:innen, die sich eigentlich zum Karten spielen auf dem Parkplatz vor dem Rewe getroffen haben, legten sich lieber mit den ‚Rasern‘ an und forderten sie durch Handbewegungen zum Abbremsen auf. Ein schönes Bild für einen Machtkampf, der aktuell noch recht ungleich geführt wird.
Die freien Parkflächen regen die Fantasie an, Vorschläge zur konkreten Gestaltung sind ausdrücklich erwünscht. Wer vor allem profitiert sind die Fußgänger:innen, Geschäfte und Gastronomien. Die Wolbecker ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr einfach nur eine Durchfahrtsstraße, sondern immer mehr Lokale und Shops kommen hinzu, die sie zu einem kulturellen Anziehungspunkt machen.
Auf der Website zu „Münsters Mitte Machen“ heißt es: „Die Wolbecker Straße ist Hauptverkehrsstraße und zugleich Alltagsraum: Sie steht für das Nebeneinander von Durchqueren und Verweilen. Die Wolbecker Straße ist lebendig, urban, cool.“ Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen braucht es noch mehr Gestaltungsfläche im Außenbereich und eine entschleunigten Verkehr, der zu einer erhöhten Aufenthaltsqualität beiträgt.