Was ist eigentlich… Zeilenbauweise?

Foto: Martina John

Was liegt zwischen den Altbaukiezen in der Innenstadt und den Einzelhaussiedlungen der Vorstadt? Oft sind das Wohnviertel, die in Zeilenbauweise errichtet wurden. Wie die Zeilenbauten entstanden und warum diese Bauweise oft weniger Lebensqualität aufweist, als sie auf den ersten Blick verspricht, erfahrt ihr hier.

Zeilenbauweise vs. Blockrandbebauung

Woran merkt man, dass die Innenstadt hinter einem liegt? Klar, die dicht geballte Stadt fasert langsam nach außen aus und statt historischer Bauten, Restaurants und Einkaufszentren säumen Gewerbegebiete und Brachflächen die Straßen. Ein weiteres Merkmal zeigt sich ganz deutlich in den Wohngebieten, wo statt der Blockrandbebauung der Altbaukieze jetzt die sogenannte Zeilenbauweise das Stadtbild prägt.

Zeilenbauweise gibt es in fast allen deutschen Städten. Oft am Stadtrand, wo nach dem Zweiten Weltkrieg neue Wohngebiete erschlossen wurden, teilweise aber auch auf innenstadtnahen Grundstücken, die in der Nachkriegszeit bebaut wurden. Mal sind es gedrungene beige Bauten aus den 50er Jahren, mal Rotklinker-Riegel der 60er oder weißgraue Plattensiedlungen aus den 70ern – gemein ist den Zeilenbauten, dass es sich um Mehrparteienhäuser handelt, die mit der Stirnseite zur Straße gebaut wurden.

So erschließt eine Straße gleich mehrere langgezogene Gebäuderiegel, die durch Grünflächen voneinander getrennt werden. Von dort aus führen Fußwege zu den Hauseingängen. Innenhöfe, wie bei der Blockrandbebauung, bei der das „Gesicht“ der Wohnblöcke zur Straße hin orientiert ist, gibt es in der Zeilenbauweise nicht.

Quelle: Martina John
Viel Grün um Nichts? Die Rasenflächen zwischen den in Zeilenbauweise errichteten Wohnblöcken können oft nicht wirklich von den Bewohner:innen genutzt werden.

So entstand die Zeilenbebauung

Eigentlich klingt das doch ganz schön oder? Viel Grün zwischen den Häuserriegeln und durch die Befreiung von der harten Blockrandstruktur können sich die Fronten der Wohngebäude zur Sonne hin orientieren. Das war die Idee dahinter, als diese Bauweise in den 1920er Jahren entwickelt wurde. Unter dem Motto „Licht, Luft und Sonne“ entstanden die ersten Zeilenbauten aus dem Geist, der auch Gartenstädte und Reformarchitektur erdachte. Statt in dunklen, miefigen Mietskasernen mit drei oder vierfach gestaffelten Hinterhöfen zu hausen, sollten sich die Bewohner:innen der neuen Wohnsiedlungen an frischer Luft im Grünen erfreuen können.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der in Deutschland großflächig zerbombte Städte hinterließ, wurden Wohnsiedlungen verstärkt in Zeilenbauweise errichtet. Die große Zeit der Zeilenbauten zog sich bis in die 70er Jahre, bis die Massenmotorisierung schließlich neue Wohnformen verlangte, die mehr Parkplätze bereithielten. Die Plattenbausiedlungen der DDR und die Trabantenstädte Westdeutschlands sind allerdings oft in Zeilenbauweise entstanden.

Abendansicht der Schanzenstraße in Hamburg, aus den Schaufenstern der Geschäfte im Erdgeschoss eines Altbaublocks scheint Licht.Quelle: Martina John
Gegenbeispiel Blockrandbebauung: Geschäfte und Hauseingänge sind hier zur Straße ausgerichtet.

Der Blick weg von der Straße

Hier offenbart sich das Problem der Häuserzeilen: Denn Plattenbausiedlungen symbolisieren das Extrem dieser Bauform: Architektonische und funktionelle Monotonie sowie die Entkoppelung vom öffentlichen Raum der Straße.

Baut man viele Gebäuderiegel nebeneinander, sodass nur ihre Stirnseite zur Straße zeigt, wird die Straße weder durch Wohnungsfenster und Hauseingänge noch durch Geschäfte im Erdgeschoss in den öffentlichen Raum eingebunden. Sie bleibt anonymer Durchgangsraum, wo man vielleicht sein Auto parken kann. Flanieren möchte hier niemand.

Das Problem mit der Funktionstrennung

Stichwort Geschäfte: Wohnsiedlungen in Zeilenbauweise enthalten nur selten Ladenlokale. Im Sinne der Funktionstrennung wird hier nur gewohnt. Zum Arbeiten, Einkaufen oder für den Besuch eines Restaurants müssen die Bewohner:innen meist eine andere Nachbarschaft oder sogar ein anderes Stadtviertel aufsuchen. Die sogenannte Nutzmischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, seit dem Mittelalter ein Merkmal von Urbanität, ist in der Zeilenbauweise nicht vorgesehen.

Auch das schöne Grün zwischen den Häusern ist oft zwar nett anzusehen, für die Bewohner:innen aber nicht direkt nutzbar. Es dient dann rein der Dekoration. Man spricht in diesem Fall von sogenanntem „Abstandsgrün“ – weder geschützter Garten noch öffentlicher Park, sondern oft lieblos begärtnerte Rasenflächen, auf denen mit Glück mal eine Bank oder eine Wäschespinne stehen darf.

Kein Wunder also, dass die innenstadtnahen Altbaukieze in Bockrandbebauung zu den beliebtesten Wohngegenden der meisten Städte gehören, während die peripheren Viertel in Zeilenbauweise oft als weniger attraktiv gelten, dafür aber zumindest auf dem Mietmarkt nicht ganz so heiß umkämpft sind.

Martina

Mag Architektur, Tiere und Internetkultur

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