Als ich 2002 mein Studium in Kiel begann, wunderte ich mich über das Tuten, das so sehr nach Schiffen klang. Bis ich begriff, dass es tatsächlich Schiffe waren und wie nah das Wasser lag, dauerte es eine kleine Weile. Das Gefühl, direkt am Meer zu wohnen, hat mich geprägt und macht Kiel zu (m)einem Sehnsuchtsort.
Wenn man mit anderen über die Unistädte spricht, heißt es „Kiel? Das ist so hässlich da!“ Gesprochen werden diese Sätze von Menschen, die entweder noch nie da waren oder nur einmal durch die Innenstadt gelaufen sind. Wo ehemals hübsche 50er Jahre-Fassaden waren, prangt jetzt tatsächlich das Einerlei deutscher Innenstädte. Dafür hat Kiel überall anders wahnsinnig viel zu bieten!

Wasser, Wasser, überall Wasser
Kiel liegt an der Kieler Förde, die die Stadt in Ost- und Westufer teilt, und bis zum Hauptbahnhof reicht. Das Wasser ist in der ganzen Stadt präsent: Der Bootshafen und der Kleine Kiel sind aus dem Stadtbild nicht wegzudenken. Wer länger nicht in Kiel war, wird entdecken, dass beides nun durch das Holstenfleet verbunden ist. Dafür wurden Autos aus der Innenstadt verbannt. Überall stehen Bänke und laden zu einer kleinen Verschnaufpause ein.
Die großen Kreuzfahrtschiffe und Fähren mitten in der Stadt sind beeindruckend und prägen das Bild der Stadt. Wenn einer der großen Pötte ausläuft, sieht es aus, als führe ein Hochhaus aus der Stadt heraus. Hafenkräne und Werften kann man von überall aus sehen, die Möwen auch hören
Folgt man der Kiellinie, kommt man am Landeshaus vorbei, wo der einzige deutsche Landtag regiert, der Blick aufs Meer hat. Weiter oben, in Düsternbrook, gibt es die Seebar auf einem Steg mitten in der Förde, Schwimmbad und Bar in einem. Und an beiden Seiten der Förde gibt es zahlreiche Strände, an denen man die Mittagspause oder ganze Urlaube verbringen kann. (Die sind einen eigenen Text wert! Ein Andermal. Versprochen!)

Einkaufen – am besten in der Holtenauer
Über die Innenstadt kann man schimpfen, das ist mir egal. Aber in der Holtenauer Straße, die diese Woche ihren 50. Geburtstag beging, reihen sich kleine, Inhaber:innen geführte Läden und niedliche Cafés aneinander. Für jede:n ist etwas dabei: Höhenflug mit Kinderspielzeug, der Tee-Kontor und Tee-Jasmin, Schokodeern und Café Fiedler, kleine Boutiquen und gut sortierte Schuhläden. Hier macht das Einkaufen Spaß. Über die ganze Stadt verteilt findet man immer wieder besondere Geschäfte, wie den ersten unverpackt-Laden, moderne Antiquariate – die Liste lässt sich beliebig verlängern.
Gastronomie – was ess ich bloß?
Nicht nur in der Holtenauer, über die ganze Stadt verteilt gibt es großartige Möglichkeiten zu essen. Koreanisch am Kleinen Kuhberg, vietnamesisch in der Altstadt, Döner am Südfriedhof (mit vegetarischen und veganen Alternativen!) Kaffee und Kuchen im Resonanz….
Und es gibt bestimmt noch eine Menge Locations, die ich gar nicht kenne. Während es zu Beginn meines Studiums nur die Innengastronomie gab, hat sich hier richtig was getan. An allen Ecken kann man im Sommer draußen sitzen – und im Winter drinnen. Besser ist das.

Viel Grün an der Förde
Nun klingt das bisher, als sei ein Aufenthalt in Kiel vor allem auf Konsum ausgelegt. Weit gefehlt. Kiel hat eine enorm hohe Aufenthaltsqualität. Neben den schönen Plätzchen am Wasser gibt es auch viel Grün in der Stadt.
An kaum einen Ort ist man weiter als fünf Gehminuten von einem Park entfernt: Im Sommer kommt kein:e Studierende:r am Schrevenpark vorbei. Hier wird gegrillt, getanzt und gespielt. Ganz verwunschen thront der Alte Botanische Garten über der Förde und bietet einen wunderschönen Blick. Der Neue botanische Garten an der Uni lädt dagegen mit einer botanischen Weltreise zum Verweilen ein.

…aber das Wetter!
Nun werdet Ihr sagen „Aber das Wetter! In Kiel regnet es IMMER! Und im Winter wird es gar nicht richtig hell!“ Stimmt. So schön Kiel im Sommer ist, im Winter hält man sich lieber in den Innenräumen auf. Das ist aber gar nicht so schlimm, wie es klingt. Im Aquarium, dem Medizinhistorischen Museum oder der Kieler Kunsthalle kann man sich nämlich auch prima die Zeit vertreiben.
Und wer windfest ist, dem sei wieder Kiels Bestes ans Herz gelegt: Das Wasser! Ob Strand oder Kiellinie, es hat bei jedem Wetter seinen eigenen Charme. Im Norden lernt man schnell: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung! Wem tropische Temperaturen oder das Grün fehlen, geht einfach in die Gewächshäuser des neuen Botanischen Gartens und träumt sich dort in die Tropen.
Fahrradstadt mit Kurs auf Nachhaltigkeit
Kiel hat 2021 den Nachhaltigkeitspreis der deutschen Großstädte gewonnen und strebt an, Zero Waste-City zu werden. Als erste deutsche Landeshauptstadt rief der Rat 2019 den Klimanotstand aus. 2040 streben die Stadtwerke an, klimaneutral zu sein.
Erreicht werden soll dieser Plan mit einem Küstenkraftwerk, das seit einer Inbetriebnahme etwa eine Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr einspart. Zusätzlich soll Klärschlamm verbrannt und in Windkraft investiert werden. Das ist am Meer auch naheliegend.
Neben der Energiewende ist das Thema Mobilität in der Stadt präsent – und zwar in Form von Fahrrädern. In der Größenordnung 200.000 bis 500.000 liegt Kiel auf Platz 4 der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands und das merkt man der Stadt auch an. Derzeit gibt es 13 Velorouten, darunter die Veloroute 10 um vom CITTI-Park zum Beispiel zur Universität zu gelangen.

Nicht nur zum Studieren toll
Kiel ist eine Universitätsstadt und das merkt man der Stadt an. Aber das ist eben nicht alles. Die Lebensqualität in Kiel ist hoch, im Dynamikranking 2021 belegt Kiel Platz 8. Man muss aber auch nicht gleich nach Kiel ziehen. Ein Besuch ist ein guter Anfang. Und den, den macht man am besten im Sommer.