Sternschnuppen gucken? Ein richtig dunkler Nachthimmel? In Großstädten ein Ding der Unmöglichkeit. Die Ursache: Lichtverschmutzung. Was das ist und was dagegen getan werden kann, erfahrt ihr hier.
Sternenlose Großstadtnächte
Von meinem Balkon in der Hamburger Innenstadt sieht man vielleicht ein, zwei helle Sterne, den Mond und den Jupiter. Sternschnuppen zählen ist dagegen eher schwer und dunkel wird es auch nicht richtig. Die Milchstraße hab ich bisher nur im Death Valley gesehen – selbst in der schleswig-holsteinischen Pampa konnte ich die volle Pracht des Sternenhimmels nur erahnen.
Damit bin ich nicht alleine – 80 Prozent der Weltbevölkerung lebt unter einem künstlich aufgehellten Nachthimmel, ein Drittel der Menschen kann die Milchstraße nicht mehr sehen. So, wie der Sternenhimmel eigentlich aussieht, haben ihn die meisten von uns vermutlich noch nie erlebt. Der Grund: Das künstliche Licht von Straßenlaternen, Reklame oder Hausbeleuchtung, das auch nachts nicht abgeschaltet wird, erhellt Städte und Siedlungen so stark, dass sie in den Nachthimmel abstrahlen. Großstädte erzeugen regelrechte Lichtkuppeln, unter denen von Sternen und Planeten kaum noch etwas zu erkennen ist. Dieses Phänomen bezeichnet man als Lichtverschmutzung (engl. light pollution).
Vom Verschwinden des Nachthimmels
In Hamburg begann der dunkle Nachthimmel schon vor gut 150 Jahren zu verschwinden. 1882 leuchteten die ersten elektrischen Straßenlaternen auf dem Rathausmarkt. Inzwischen sind es der Hafen, der Kiez, die Straßenlampen, Hausbeleuchtungen und in den letzten Jahren auch immer mehr bunt blinkende digitale Werbescreens, die die Hansestadt zur niemals schlafenden Cyberpunk-City machen.
Das Problem besteht natürlich nicht nur in Hamburg, Berlin, München oder Köln – rund um die Welt ist die Lichtverschmutzung seit dem Aufkommen von elektrischem Licht, LEDs und Beleuchtung aller Art rapide abgestiegen. Es reicht ein Blick auf eine nächtliche Satellitenaufnahme, um zu sehen, wie stark der Mensch das nächtliche Gesicht unseres Planeten geprägt hat.
Warum Lichtverschmutzung schädlich für das Ökosystem ist
Dass die Nächte heller werden, stört nicht nur Menschen, die unter einem hellen Himmel schlechter einschlafen können – denn Kunstlicht kann die Produktion des Schlafhormons Melatonin durcheinanderbringen. Vor allem sind es Tiere und Pflanzen, deren Biorhythmus durch die veränderten Lichtverhältnisse durcheinander kommt.
Jede:r kennt die sprichwörtliche Motte und das Licht. Dass Insekten nachts um eine Lampe tanzen, kommt uns so natürlich vor, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken, dass elektrisches Licht ursprünglich gar nicht zur Lebenswelt von Mücken, Motten und Co gehörte. Eigentlich orientieren sie sich vergleichsweise geradezu funzeligen Licht von Mond und Sternen. An einer Straßenlaterne, die sie aufgrund ihrer Helligkeit magisch anzieht, finden Insekten weder Nahrung noch können sie da ihre Eier ablegen.
Aber künstliches Licht beeinflusst auch zahlreiche andere Arten – so zum Beispiel:
- Fledermäuse: Einige Arten haben sich an die veränderten Verhältnisse angepasst und fangen Insekten aus dem Lichtkegel der Straßenlaternen. Andere werden dagegen von beleuchteten Flächen verwirrt und überfliegen diese nicht – ihr Lebensraum wird dadurch rapide beschnitten. Und nicht zuletzt sind Fledermäuse von ihrem Nahrungsangebot abhängig. Gibt es aufgrund von Lichtverschmutzung weniger Insekten, leiden auch die Fledermaus-Populationen.
- Vögel: Viele Vogelarten sind durch künstliche Beleuchtung jenseits ihrer natürlichen Aktivitätszeiten unterwegs. Zum Beispiel werden Blaumeisen früher wach, beginnen früher zu singen und brüten früher im Jahr, wenn noch nicht unbedingt genügend Nahrung für sie vorhanden ist. Zugvögel können durch Kunstlicht von ihrer Route abkommen und anstrengende Umwege fliegen, für die ihre Kräfte nicht ausreichen.
- Fische: Fischarten, die in ihre Laichgründe ziehen, unterbrechen ihre Wanderungen, weil sie nicht an beleuchteten Brücken vorbeikommen – das gilt zum Beispiel für Aale.
- Pflanzen werden z.B. seltener bestäubt, wenn sie in der Nähe von Straßenlaternen stehen.
Die Sache mit der Sicherheit
Heißt das jetzt, wir müssen uns im Namen der Biodiversität nachts durch stockdunkle Städte tasten? Das wäre allein deswegen problematisch, da die Beleuchtung in Städten auch der Sicherheit dient. Und das nicht nur, wenn es um Verkehrssicherheit geht.
Man denke an dunkle Parks und Unterführungen, – hier fühlen sich nicht nur Frauen wohler, wenn solche Passagen ausreichend beleuchtet sind. Straßenbeleuchtung dient also auch dazu, eine Teilhabe am öffentlichen Raum zu gewährleisten.
Energie oder Licht sparen?
In Sachen Straßenbeleuchtung gibt es noch einen weiteren Konflikt: Ältere Straßenlaternen mit sogenannten Natriumdampflampen – erkennbar an ihrem warmen, orangefarbenen Licht – erzeugen weniger Lichtverschmutzung als moderne Weißlicht-LED-Lampen, die einen hohen Blauanteil abstrahlen. Licht mit hohem Blauanteil ist besonders attraktiv für Insekten und verwirrt sie dadurch noch stärker. Andererseits sind LED-Lampen wesentlich energiesparender, weshalb die Straßenbeleuchtung vielerorts auf LED umgestellt wurde.
Ein weiteres Problem ist Reklamebeleuchtung – ob Neon oder LED, Werbeleuchtmittel oder DOOH-Banner strahlen oft nicht nach unten wie Straßenlaternen, sondern leuchten in alle Richtungen. Sie tragen dadurch einen nicht unerheblichen Teil zur Lichtkuppel über den Großstädten bei.
Kampf gegen die Lichtverschmutzung: Das kannst Du tun
Teilweise gehen Städte und Kommunen bereits gegen Lichtverschmutzung vor. Private und gewerbliche Beleuchtung können Vorschriften von öffentlicher Seite allerdings nicht immer beeinflussen. Immerhin wurde Lichtverschmutzung unter dem Paragraphen § 41a „Schutz von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen“ im Sommer 2021 aber Teil einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes.
Auch außerhalb Deutschlands wird an vielen Stellen etwas getan: So wechselt Wien auf LED-Beleuchtung, die weniger Insekten anlockt. Die österreichische Hauptstadt wurde sogar aus der Vogelperspektive abgeflogen, um das Ausmaß der Lichtverschmutzung zu erfassen.
Wer selbst ein Haus mit Garten oder eine Wohnung mit Balkon hat, kann zumindest im Kleinen seinen Beitrag gegen die Lichtverschmutzung leisten. Positiver Nebeneffekt – Energie spart ihr so auch.
- So wenig leuchten wie möglich. Zeitschaltuhren, Bewegungsmelder etc. helfen, dass sich z.B. das Licht an eurer Einfahrt nur anschaltet, wenn ihr es auch braucht.
- Insektenfreundliche Lampen im Garten und auf dem Balkon sollten möglichst nur nach unten strahlen. Auch eine niedrige Anbringung verhindert, dass die Lampe in die Umgebung abstrahlt.
- Ein Lampengehäuse, das dicht abschließt, sodass keine Insekten eindringen können und es nicht heißer als 60 Grad wird, hilft zwar nicht gegen die Lichtverschmutzung, schützt Motten und andere Insekten aber davor, sich an der Lampe zu verbrennen.
Wo es noch dunkel ist
Gibt es ihn denn überhaupt noch, den richtig dunklen Nachthimmel mit voller Sternenpracht? Ja tatsächlich. Wer in Deutschland einen Blick in den ungetrübten Nachthimmel werfen möchte, wird zum Beispiel in Brandenburg fündig. Der Naturpark Westhavelland wurde 2014 zum ersten Sternenpark Deutschlands ernannt – hier ist es nachts noch dunkel genug, um Sterne und Milchstraße ungestört zu bewundern.
Sichherheit und Licht muss kein Konflikt sein, die Stadt Fulda zum Beispiel hat ihr Licht einerseits einfach gedämmt und andererseits mit Bewegungsmeldern ausgestattet, sodass es heller wir dodeer angeht, wenn jemand vorbeigeht.