Autos sind im Stadtbild allgegenwärtig. In der Stadplanung spricht man gerne von der autogerechten Stadt. Dass wir eigentlich weniger Autos in den Städten bräuchten, setzt sich als Erkenntnis zwar immer mehr durch, aber Autoverkehr wird trotzdem oft als eine Art Naturgesetz angesehen: unvermeidbar. Dabei ist das Auto eine vergleichsweise neue Erfindung.
Als Erfindungszeitpunkt des Autos gilt das Jahr 1886, als Carl Benz den Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 anmeldete. Der Wagen hatte drei Räder und einen offenen Sitzplatz, der eher an einen Kutschenbock erinnert – aber er fuhr von alleine. Das erste für breitere Massen praktikable und vor allem erschwingliche Auto war das Modell T von Ford, das ab 1908 in den USA verkauft wurde. So wirklich verbreitete sich das Auto in Europa aber erst nach dem zweiten Weltkrieg.
Die Entwicklung der autogerechten Stadt
Der vielzitierte Begriff der „autogerechten Stadt“ stammt vom Titel eines Buches des Stadtplaners Hans Bernhard Reichow, das 1959 erschien. Eine Einordnung des Werkes sowie des Konzepts findet sich in diesem Essay von Christoph Bernhardt vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung. So hatte der Stadtrat Martin Wagner schon im Berlin der 1920ern Pläne, die Stadt autofreundlicher zu machen, zum Beispiel durch die Planung großer Ausfallstraßen.
Zum Ausbau – oder vielleicht eher Umbau – der autogerechten Stadt kam es aber erst nach dem zweiten Weltkrieg, als einige Städte ihre zerstörten Straßen so wieder aufbauten, dass sie vor allem für Autos geeignet waren, obwohl es in der unmittelbaren Nachkriegszeit immer noch wenige private Autos gab. Als das Buch „Die autogerechte Stadt“ 1959 erschien, so Bernhardt, „war der moderne, Automobil-orientierte Städtebau als international herrschendes Leitbild etabliert.“ Außerdem gab es Ende der 1950er-Jahre auch deutlich mehr Autobesitzer:innen.
Interessant ist auch, wie Bernhardt betont, dass längst nicht alles, was heutzutage als autogerechte Stadt kritisiert wird, auch von Reichow gefordert wurde. Zum Beispiel konzentrierte er sich in seinem Schaffen vor allem auf die Planung von neuen Stadtteilen, weil er seine Vision vom fließenden Verkehr in den engen europäischen Innenstädten für nicht realisierbar hielt. Auch sollte keineswegs die amerikanische Stadtplanung 1:1 übernommen werden: Er plädierte für Schnellstraßen mit getrennten Fahrtrichtungen anstelle dessen, was er den „amerikanischen Monster-Verkehrsknoten“ nannte.
Der Begriff der „autogerechten Stadt“ hat sich also längst von diesem Buchtitel weg verselbstständig – und durchgesetzt.
Die gerechte Stadt
Wer sich einmal vorgestellt hat, wie die Straßen ohne die ganzen geparkten Autos aussähe, merkt erst wirklich, wie viel öffentlichen Raum wir einem einzelnen Fortbewegungsmittel überlassen, das nicht einmal alle Stadtbewohner:innen nutzen. Auch wenn, wie Bernhardt anmerkt, die autogerechte Stadt „nicht einmal untot“ ist, setzt sich an verschiedenen Orten doch der Gedanke durch, dass es so nicht weitergehen kann. Autos sind nicht nur schlecht für die Umwelt, ihre Priorisierung schließt auch die vielen Menschen aus, die keine Autos nutzen können oder wollen.
Dass Mobilität in unseren Städten auch ganz anders und vor allem wirklich gerecht gestaltet werden kann, sehen wir schon heute in Amsterdam, Kopenhagen oder Paris: Städte, die (wieder) verstärkt auf ÖPNV, Radverkehr und Walkability setzen.