Wenn die Tage kürzer werden, sieht man sie überall in der Stadt: Krähen, die sich in großen Schwärmen auf den Bäumen niederlassen, im Müll picken oder auf Parkwiesen nach Futter suchen. Wie intelligent und sozial die schwarzen Vögel sind, was Krähen von Raben unterscheidet und ob es derzeit wirklich eine Krähenplage gibt, erfahrt ihr hier.
Der „Galgenvogel“ als Kulturfolger
Ich muss gestehen, ich mag Krähen. Im Gegensatz zu Tauben und Spatzen habe ich bei ihnen immer das Gefühl, ein bisschen Wildnis mitten in der Großstadt zu begegnen, selbst wenn ich die schwarzen Vögel gerade nur auf einem Parkplatz oder einem Straßenbaum sehe. Aber nicht alle Menschen hegen so positive Gefühle für die Rabenvögel, die als klassische Kulturfolger in so ziemlich allen deutschen Städten unterwegs sind.
Als Aasfresser spielen Krähen eine wichtige Rolle im Ökosystem, haben dadurch aber seit Jahrhunderten einen schlechten Ruf weg. „Galgenvögel“, die sich an Erhängten oder toten Menschen auf dem Schlachtfeld gütlich tun, hatten bereits im Mittelalter keine gute Lobby.
Nicht gerade gut fürs Image ist auch der Glaube, dass Kolkraben oder Rabenkrähen frischgeborene Lämmer fressen würden. Das ist ein Mythos. Die Vögel verfolgen Schafsherden, weil sie auf kranke oder tote Tiere hoffen oder die Nachgeburt fressen, wenn ein Schaf auf der Weide Nachwuchs bekommt. Lebendigen Schafen tun sie nichts zuleide.
Heute beschweren sich eher menschliche Anwohner:innen über Krähenkolonien in den Bäumen vor ihren Häusern und lautes Gekrächze. Große Krähenschwärme erwecken bei manchen Menschen vielleicht auch ungute Assoziationen mit Hitchcocks „Die Vögel“. Dabei ernähren sich Krähen je nach Art von Aas, Sämereien, Insekten oder auch mal Eiern – Menschen haben nichts von ihnen zu befürchten.
Dass sie gerade in den dunklen Wintermonaten in den Städten unterwegs sind, liegt nicht an Halloween und Totensonntag, sondern einfach daran, dass Krähen in der kalten Jahreszeit in der Stadt mehr Nahrung finden.
Krähen vs. Raben: Was ist der Unterschied?
Große krächzende schwarze Vögel – auf den ersten Blick sehen sich viele Raben und Krähen natürlich sehr ähnlich. Biologisch gehören sie auch alle in die Familie der Rabenvögel Corvidae. Hier wird dann simpel nach Größe differenziert – die größeren Vertreter bezeichnet man als Raben, die kleineren als Krähen. Von beiden gibt es verschiedene Arten.
In Deutschland ist es relativ einfach, Raben und Krähen zu unterscheiden, weil es nur eine Rabenart gibt: den Kolkraben. Den erkennt ihr daran, dass er wesentlich größer ist als alle heimischen Krähen. Außerdem hat er einen „Bart“ aus Kehlfedern, einen sehr großen klobigen Schnabel und einen keilförmigen Schwanz.
Fun Fact: Obwohl ihre Stimmen nicht gerade wohlklingend sind, gehören Rabenvögel zu den Singvögeln.
Diese Krähenarten gibt es in der Stadt
In den Straßen, Parks und Brachflächen deutscher Städte sind vor allem diese Krähenarten unterwegs:
- Rabenkrähe (Corvus corone): Aufgrund ihrer Ernährungsgewohnheiten auch als Aaskrähe bekannt. Groß und schwarz ist sie leicht mit dem Kolkraben zu verwechseln. Die Rabenkrähe hat aber einen spitzeren Schnabel und ist nicht ganz so groß. In Ostdeutschland und Schleswig-Holstein ist ihre Zwillingsart, die grau-schwarze Nebelkrähe verbreiteter.
- Saatkrähe (Corvus frugilegus): Leicht zu erkennen an ihrem hellen Schnabel. Wie ihr Namen schon sagt, bevorzugt sie pflanzliche Nahrung wie Körner, Nüsse und Früchte, pickt aber auch Würmer und Insekten aus Feldern. Im Winter kommen Saatkrähen in großen Schwärmen in die Städte, wo sie mehr Nahrung finden als in der Feldmark.
- Dohle (Corvus monedula): Kleiner als die anderen zwei Krähenarten und von grauschwarzer Färbung. Während man die klassische Dohle auch in Städten antrifft, lebt ihre Verwandte, die schwarze Alpendohle in den Bergen.
- Elster (Pica pica): Auffällig schwarz-weiß mit langem Schwanz und schillernden Federn ist sie kaum zu übersehen. Genau wie andere Krähenarten ist die Elster sehr intelligent – dass sie sprichwörtlich „diebisch“ ist, gehört jedoch ins Reich der Mythen.
- Eichelhäher (Garrulus glandarius): Eher in Parks und Wäldern als an an der Hauptstraße unterwegs, ist der Eichelhäher selbst wenn man ihn nicht sieht, sofort an seinem „Rätsch rätsch“-Ruf zu erkennen. Im Gegensatz zu den anderen, recht monochromen Krähen- und Rabenvögeln hat er braunes Gefieder mit hübschen blau-gestreiften Federpartien an seinen Flügeln.
So intelligent sind Krähen
Tatsächlich zählen Rabenvögel und besonders Krähen nicht nur zu den intelligentesten Vogelarten, sondern sogar zu den intelligentesten Tieren überhaupt. So verwenden Krähen zum Beispiel nicht nur Werkzeuge, um an Nahrung zu kommen, sie können sogar selbst welche bauen und dabei mehrere Teile verwenden, wie Forscher:innen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und der Oxford University 2018 nachwiesen.
Das klassische „Stanford Marshmallow Experiment“, um ihre Selbstkontrolle zu testen, bestanden Krähen in einem Versuch von 2014 ebenfalls mit Bravour. Sie lernten Leckerli nach etwas Abwarten gegen einen noch besseren Snack einzutauschen, anstatt das erste Leckerli sofort zu fressen.
An der University of Auckland in Neuseeland konnten Forscher:innen in einem anderen Experiment nachweisen, dass Krähen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erkennen. Sogar dann, wenn die Ursache eines Phänomens nicht sichtbar ist: Die Vögel erkannten hinter einem Vorhang versteckte Menschen als Ursache für einen Stock, der sich bewegte.
Außerdem sind Krähen sehr soziale Vögel. Saatkrähen sind, ebenso wie Kolkraben, monogam und bleiben ihren Partner:innen ihr Leben lang treu. Zudem navigieren sie die komplexen Beziehungen in den großen Schwärmen und Kolonien, in denen sie leben.
Übrigens: Auch zu Menschen können Krähen Beziehungen knüpfen – sie merken sich Gesichter und erkennen Menschen wieder, die nett zu ihnen waren, weil sie sie zum Beispiel gefüttert haben. Gleichzeitig entwickeln sie auch negative Gefühle und erinnern sich an Personen, die sie verletzt haben oder sie zu vertreiben versuchen.
Gibt es eine Krähenplage?
Gerade in der kalten Jahreszeit scheinen Krähen plötzlich massenhaft aufzutauchen. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land sind sie in großen Schwärmen unterwegs. Das liegt zum einen daran, dass viele Krähen wie andere Vogelarten auch aus nördlicher gelegenen Brutgebieten nach Süden kommen und dann in Mitteleuropa ihre Winterquartiere aufschlagen. Dann ist es in den Städten oft wärmer als auf den Feldern und es gibt Abfälle und andere Futterquellen, die so auf dem Land nicht vorhanden sind.
Eine Explosion der Krähen- oder Rabenpopulation gibt es in Deutschland jedoch nicht. Die Bestände haben sich seit dem Tiefststand in den 80er-Jahren zwar erholt, von einer Rabenvogelplage kann jedoch keine Rede sein. Laut NABU begrenzen sich die Bestände der Rabenvögel in Deutschland sogar von selbst – die Brutreviere der Krähen sind begrenzt. Denn findet ein Vogel da keinen Platz, kann er auch nicht brüten.
Lässt sich eine große Saatkrähenkolonie jedoch in den Bäumen vor einer Wohnsiedlung oder einem Altenheim nieder, fühlen sich Stadtbewohner:innen oft vom Gekrächze der vielen Vögel gestört. Auch der Vogelkot auf Autos oder Balkons stößt nicht unbedingt auf Gegenliebe. In einigen Städte hat man daher versucht, die Krähen zum Beispiel durch den Einsatz von Falkner:innen und Falken zu vergrämen.
Abseits der Städte beschweren sich teilweise Landwirt:innen über die großen Saatkrähenschwärme, die Schäden auf den Feldern anrichten – und dass die Vögel zu schlau sind, um sich von Flatterbändern oder Vogelscheuchen abschrecken zu lassen. Auch hier ist das Problem jedoch im Grunde menschengemacht. Die Krähen bedienen sich auf den Feldern, da sie an anderer Stelle durch das zunehmende Verschwinden naturbelassener Lebensräume keine Nahrung mehr finden.