Seit Jahrtausenden begleiten Greifvögel und Falken die Menschen – nicht nur in domestizierten Formen als Unterstützung bei der Jagd oder in Tierparks. Dennoch ist es erstaunlich, auf welche Art und Weise man heimischen Raubvögeln auch in einer Großstadt wie Hamburg begegnen kann. Einige Arten haben sich zu erfolgreichen Kulturfolgern entwickelt.
Meine Begegnungen mit Raubvögeln in Hamburg
Ich bin gar kein sonderlich vogelkundiger Mensch. Bei Ausflügen ins Umland habe ich zwar meistens mein Fernglas und vielleicht noch ein Bestimmungsbuch dabei, aber das war es auch schon. Eine Kornweihe könnte ich ohne Buch- oder Internet-Unterstützung nicht von einer Wiesenweihe unterscheiden. Umso spannender fand ich, dass ich dennoch in den vergangenen Jahren immer wieder Bekanntschaft mit beeindruckenden Raubvögeln in Stadt und Umland gemacht habe.
Da wäre zunächst die häufigste heimische Greifvogelart, der Mäusebussard. Mehrfach konnte ich ohne weiteres Zutun die großen Jäger über der Stadt kreisen sehen: über Hoheluft, über dem Heiligengeistfeld, sogar über dem Schanzenviertel. Mäusebussarde sind ausgesprochen anpassungsfähig – und vielfarbig. Von weiß-hellbraun gescheckt bis zu dunkelbraun kommen sie vor. Am besten erkennt man sie daher am Flugbild und an charakteristischen „hijäh“-Rufen. Dass diese Habichtartigen inzwischen auch Städte bevölkern, ist relativ neu. Autobahnen und andere Verkehrswege gehören hingegen schon länger zu ihrem Habitat – schließlich sind überfahrene Kleintiere eine willkommene und einfache Beute.
Greifvögel in der Stadt ganz aus der Nähe zu sehen, hat allerdings Seltenheitswert. Entsprechend überrascht war ich, als ich eines Tages in der Tiefgarage einem Sperber begegnete. Der kleine Habichtartige zerlegte gerade seine Beute, während ich mein Fahrrad holen wollte, und ließ sich nicht von seiner Mahlzeit abbringen. Bis auf wenige Meter konnte ich mich dem Sperber nähern, bis er dann doch lieber seine Ruhe vor dem aufdringlichen Fotografen haben wollte und mit Beute in den Fängen davonflog. Bei der Bestimmung musste ich mich dann auf Internet & Buch zurückgreifen. Aber in der Tat sind die auf kleine Beutetiere spezialisierten Greifvögel inzwischen auch in städtischen Grünanlagen heimisch.
Noch ungewöhnlicher war vor einigen Jahren eine flüchtige Bekanntschaft mit einem Fischadler am Strand von Blankenese. Nur kurz gelang es mir, den eleganten Vogel bei der Jagd in der Elbe zu beobachten. Der Fischadler kommt tatsächlich eher in Ostdeutschland vor und auch dort ist die Population zersplittert. Hinsichtlich Verhalten und Gefiederzeichnung bleibt allerdings kein Zweifel, dass es sich um einen handelte. Weitere Meldungen bestätigen, dass diese hin und wieder nach Hamburg kommen.
Schließlich hatte ich kürzlich das seltene Glück, etwas außerhalb von Hamburg einen Seeadler anzutreffen. Ich konnte den majestätischen Vogel – den größten Greif Deutschlands – in der Wedeler Elbmarsch bei Fährmannssand dabei beobachten, wie er gerade seine Beute verzehrte, während Krähen versuchten, etwas davon abzubekommen. Als sich der Vogel, offenbar genervt von den Krähen, zum Flug aufmachte, wurde seine gesamte Größe deutlich. Anfängliche Skepsis, ob es wirklich ein Seeadler sein könnte, beseitigte eine kurze Internetrecherche: Tatsächlich ist ein Brutpaar auf der nahegelegenen Elbinsel Neßsand bekannt. Auch an der alten Süderelbe und im Naturschutzgebiet Heuckenlock sowie in den Vier- und Marschlanden haben sie Brutplätze gefunden.
Greifvögel und Falken als Kulturfolger in der Stadt
In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist es kein Wunder, dass Wildtiere auch in Großstädten Lebensraum suchen. Nicht anders ist es mit heimischen Raubvögeln.
Exkurs: Raubvögel, Greifvögel, Falken – was ist der Unterschied?
Raubvögel sind eine biologisch unscharfe Kategorie, die Greifvögel und Falken sowie Eulen umfassen.
Greifvögel (Accipitriformes) im eigentlichen Sinne meinen die Habichtartigen, Fischadler und Sekretär als zwei monotypische Arten sowie die Neuweltgeier.
Falken (Falconidae) haben zwar eine Menge Gemeinsamkeiten mit Greifvögeln, sind aber mit diesen nicht enger verwandt – sondern eher mit Papageien.
Seit jeher vergleichsweise häufig sind Turmfalken und Wanderfalken. Erstgenannte Art trägt es bereits im Namen: Kirchtürme und andere hochgelegene Punkte sind willkommene Ansitze für die pfeilschnellen Turmfalken. Inzwischen tun Wanderfalken es ihnen gleich und brüten neuerdings sogar in den Wolkenkratzern New Yorks.
Weitere Raubvogelarten in deutschen Großstädten wie Hamburg sind der Habicht und der Rotmilan. Bereits im Mittelalter sollen Rotmilane mitten in urbanen Gegenden gebrütet haben. Heutzutage sind sie, ebenso wie Habichte, eher in den Vorstädten und Grüngürteln zu finden. Mir als Innenstadtbewohner sind sie noch nicht begegnet.
Zivilisation und Gefahr: Was Raubvögel bedroht
Städte und menschengemachte Landschaften sind als Lebensraum für Greifvögel und Falken kein reiner Segen. So verunglücken überdurchschnittlich viele Vögel in dicht besiedelten Gegenden, beispielsweise beim Flug in Glasfassaden. Auch Windräder stellen durchaus eine Gefahr für Greifvögel dar, wenngleich das Risiko schwer abzuschätzen ist. Denn Energielobbyist:innen nutzen dies gerne als Scheinargument gegen Windkraftausbau, während Vogelschützer:innen sich tendenziell dafür aussprechen.
Eine gewaltige Bedrohung für Raubvögel im Besonderen scheint indes gebannt: Das Insektenvernichtungsmittel DDT, das seit den 1970er Jahren hierzulande verboten ist, ließ Eierschalen dünner werden und führte somit zu erheblichen Bestandseinbrüchen. Insbesondere Falken und Greifvögel waren betroffen, denn über die Nahrungskette reicherte sich die gefährliche Substanz in ihren Organismen weiter an. Mittlerweile haben sich die meisten Vogelarten vom DDT-Knick wieder erholt. Es zeigt allerdings abermals, wie fragil ein Ökosystem ist.
Sonderfall Falknerei: Raubvögel am Flughafen
Wer an Falknerei denkt, hat meist die mittelalterliche Beizjagd vor Augen, vielleicht noch Flugschauen in Tierparks. Allerdings setzen mittlerweile mehr und mehr Flughäfen Falkner:innen ein – aus Sicherheitsgründen. Denn Vogelschlag ist eine große Gefahr für den Flugverkehr.
In Hamburg ist seit 2012 der Falkner Herbert Boger im Einsatz. Zwei- bis dreimal die Woche lässt er seine dressierten Wüstenbussarde und Falken los und verjagt die unerwünschten Vögel vom Hamburger Flughafen. Dabei ist Bogner nie zur selben Zeit im Einsatz, damit der Überraschungseffekt beim Vergrämen bleibt. Die Falknerei am Flughafen ist also eine nachhaltigere und vergleichsweise milde Methode – schließlich ist der Einsatz von Waffen am Flughafen auch streng verboten. Der Erfolg in Hamburg hat Schule gemacht: Mittlerweile haben die Betreibenden der Flughäfen in Bremen, Köln/Bonn und Düsseldorf sowie Barcelona, Prag und Warschau nachgezogen und beschäftigen ihrerseits Falkner:innen, um Vögel zu verjagen.