Dschungel im Wohnzimmer: Unsere absurde Liebe zu Zimmerpflanzen

Eine Hand hält eine Pilea im Topf vor einem grauen Sofa
Foto: Martina John

Hand hoch, wer keine Grünpflanze in der Wohnung hat. Ohne Zimmerpflanzen ist Inneneinrichtung heute kaum noch denkbar – und als bekennender Fan von Monstera, Pilea und Co. nehme ich mich da selbst nicht aus. Doch was steckt eigentlich hinter unserem Bedürfnis, uns die exotische Natur in die eigenen vier Wände zu holen?

Grünpflanzen: Vom Hype zum Dauerbrenner

Ja, ich lebe das Klischee: Ich bin Millennial und liebe Zimmerpflanzen. Ich feiere es, wenn meine größte Monstera auch nach sieben Jahren noch neue Blätter bekommt und finde, dass ein Wohnzimmer ohne Grün nur halb eingerichtet ist.

Kein Wunder. Nachdem Monstera, Buntnessel, Sukkulenten, Grünlinie, Gummibaum und Co jahrzehntelang mit Oma-Deko oder tristen Büropflanzen assoziiert wurden, sind sie seit den 2010er Jahren wieder in. Und auch wenn der große Hype (wir erinnern uns an die unvermeidlichen Monstera-Blätter auf Socken, Trinkbechern, Kissen und Co. um 2018 herum) vielleicht wieder etwas abgeebbt ist, gehören ein paar gut kuratierte Pflanzen nach wie vor in jede vorzeigbare Wohnung.

Und ich kann das so sehr nachfühlen. Da können noch so viele Designermöbel in einem Raum stehen, die von Menschenhand geformten und kontrollierten Linien brauchen für mich einen organischen Gegenpol. Denn auch die bestgepflegte, regelmäßig geschnittene Pflanze bringt ihre eigene, nicht menschengemachte Formensprache ins Haus. Und dann ist da das Grün – für mich der perfekte Kontrast zu Textil, Holz und Metall – in Kombination mit Pflanzen wird jede Wandfarbe und jeder Einrichtungsstil schön.

ein großes Monstera-Blatt vor einem BücherregalQuelle: Martina John
Die Lieblings-Monstera der Autorin hat sich ein neues Blatt geleistet.

Paradoxe Pflanzenliebe

Eigentlich ist das Ganze ein Widerspruch: Wir freuen uns über das Grün in unseren vier Wänden und fühlen uns der Natur ein bisschen näher – aber irgendwie auch seltsam, dass wir uns dafür exotische Pflanzen holen, die außerhalb von Haus und Wohnung niemals gedeihen könnten, da sie eigentlich in tropischen Regenwäldern beheimatet sind. Schließlich stellt sich niemand eine Buche, eine Eibe oder einen Wacholderbusch ins Haus, es muss schon eine Urwaldpflanze mit aufregend geformten Blättern sein.

Wo kommen die Exoten her?

Hier kurzer Überblick zu den beliebtesten Sorten, die oft nebeneinander auf unseren Bücherregalen und Blumenhockern leben, obwohl sie eigentlich aus entgegengesetzten Enden der Erde kommen:

  • Gummibaum (Ficus Elastica) – Indien, Südostasien
  • Efeutute (Epipremnum aureum) – verschiedene Südseeinseln
  • Monstera (Monstera deliciosa) – Mittel- und Südamerika
  • Dieffenbachie (Dieffenbachia maculata) – Mittel- und Südamerika
  • Ufopflanze/Glückstaler (Pilea peperomioides) – China
  • Grünlilie (Chlorophytum comosum) – Südafrika
Großes Fensterblatt im DschungelgewirrQuelle: Martina John
Fensterblatt in the wild – im mittelamerikanischen Urwald leben unsere Zimmerpflanzen oft als Schling- oder Aufsitzerpflanzen an großen Bäumen.

Kurze Zimmerpflanzen-Zeitreise

Die Liebe zum Grün hat Tradition, die bis ins 17./18. Jahrhundert zurückreicht. Damals waren exotische Pflanzen Statussymbole, die per Schiff aus Kolonien in Übersee nach Europa gebracht wurden und zunächst in höfischen Sammlungen oder botanischen Gärten zur Schau gestellt wurden – und damit natürlich nicht jedermann zugänglich waren.

Einen breiteren Zugang zur Zimmerpflanze gab es erst mit der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts, als sich auch Privathaushalte eine spektakuläre Zierpalme in den beheizten Salon stellen konnten – auch hier ein Statussymbol, das man sich leisten können musste. Die Liebe zur Pflanze trieb mitunter seltsame Blüten, wie etwa im Zuge der „Pteridomania“ oder „Fern-Craze“, als Mitte des 19. Jahrhunderts ein regelrechter Hype um Farne als Zimmerpflanzen einsetzte.

Während die sachliche Bauhaus-Architektur der 1920er Jahre eher wenig Affinität für dekoratives Grün hatte, läuteten die breiten Fensterbänke der 50er das erste Comeback der Zimmerpflanze ein. Jetzt als Massenware, die sich zwar jede:r leisten konnte, was aber auch dazu führte, dass so mancher Gummibaum lieblos auf dem Treppenabsatz verstaubte.

Jedem Trend folgt ein Gegentrend: Die kühlen 80er und auch die 90er und 00er Jahre sind nicht gerade als Hochzeit der Zimmerpflanze bekannt – bis sie ab Mitte der 2010er Jahre plötzlich wieder cool war und, „Hashtag urbanjungle“, dekorativ begrünter Wohnraum auch wieder zum Statussymbol wurde.

Warum immer neu kaufen, wenn man auch Ableger ziehen kann?

Zimmerpflanzen sind kein Wegwerfprodukt

Apropos Statussymbol: ein Zuhause mit schönen Pflanzen zeugt auch von Können. Ein „grüner Daumen“ ist nicht angeboren, sondern bedeutet, dass sich die pflanzenbesitzende Person das entsprechende Wissen angeeignet hat und dass sie sich die Zeit nimmt und die nötigen Ressourcen investiert, im ihrer Raumbegrünung die richtigen Bedingungen zu schaffen.

Wer seine Pflanzen beim ersten gelben Blatt wegwirft oder sofort neue kauft, nur weil die Sorte nicht mehr dem neuesten Trend entspricht, sollte sich bewusst machen, dass die Aufzucht von Zimmerpflanzen Energie, Wasser und Platz verbraucht, auch wenn nicht mehr alle Pflanzen aus Übersee importiert werden müssen.

Und es muss nicht immer neu gekauft werden – von den meisten beliebten Zimmerpflanzen lassen sich problemlos Ableger ziehen. Die kann man selbst einpflanzen und „Nachwuchs“ ziehen oder mit Freund:innen oder auf Tauschbörsen gegen eine andere Sorte tauschen.

Martina

Mag Architektur, Tiere und Internetkultur

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