HafenCity Hamburg – Stadtplanung ist (k)ein Wunschkonzert

Ansicht von modernen Gebäuden und Kränen in der Hamburger HafenCity. Im Vordergrund ist Wasser
Foto: Noemi Bartl

Zwischen Elbphilharmonie und Elbbrücken steht eine Stadt auf dem Wasser – Hamburgs HafenCity ist Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsprojekt. Sie dient als Modell für die neue europäische City am Wasser. Mobilität, Inklusion und Nachhaltigkeit sind dabei tragende Säulen in der Stadtplanung. Wir begeben uns auf einen Rundgang durch die HafenCity und schauen einer Stadt beim Wachsen zu.

Kostenlose Führungen durch die HafenCity

Wer schon einmal einen Blick auf hafencity.com geworfen hat, kennt bestimmt das umfangreiche Angebot kostenloser Führungen durch die HafenCity. ‚Grüner Landgang‘, ‚Historische Spurensuche‘ oder ‚NachtSicht‘ – es gibt viele Wege, die City am Wasser in geführten Touren zu erkunden. Jeden Sonntag um 15 Uhr (außer der 1. Sonntag im Monat) wird der Nachhaltigkeitspavillon in der Osaka-Allee zum Treffpunkt der Führung „Neue Horizonte“.

So fand auch ich mich dort mit einer Gruppe von acht weiteren Personen ein, um die jüngst fertiggestellten Quartiere der HafenCity zu durchwandern. Vom Startpunkt Osaka 9 führt der Rundgang über die Busanbrücke Richtung Lohsepark, weiter zur U-Bahn-Station HafenCity Universität und von dort in den Baakenhafen, wo der Baakenpark das Ende der Tour markiert.

Quelle: Noemi Bartl
Treffpunkt am Nachhaltigkeitspavillon Osaka 9 – ein Überblick über die HafenCity und ihre Quartiere.

Wohnen, leben und arbeiten am Wasser

Am Startpunkt angekommen liegt das Überseequartier direkt in unserem Rücken, vor und neben uns: Wasser, Kanäle, Brücken. Eine Barkasse schippert an uns vorbei. Das Wasser ist hier allgegenwärtig und Teil des Lebens in der HafenCity.

Mit ihrer unmittelbaren Nähe zur Elbe ist die neu entstehende Stadt Witterungsverhältnissen in besonderem Maße ausgesetzt, was für die Stadtplanung große Herausforderungen mit sich bringt. Gerade Hochwasser sind in den Hamburger Wintern keine Seltenheit. Die zentralen Fragen lauten daher: Wie kann ein sicheres Stadtleben am Wasser garantiert werden? Und: Wie werden Straßen, Häuser, Infrastruktur vor Sturmfluten geschützt?

Für dieses Problem haben sich die Stadtplaner:innen eine innovative Sturmflut-Lösung einfallen lassen: Straßen, Wege und Gebäude sind auf einem zwei-Ebenen-Modell angelegt. Unten am Wasser befinden sich Promenaden, Fuß- und Radwege. Außerdem erreicht man von hier Läden, Cafés, Restaurants und diverse Kulturangebote. Autos fahren hier nicht.

Um das Gewerbe und die Gastronomie bestmöglich vor Überschwemmungen zu schützen, sind hier sogenannte Schotts angebracht. Achtest du bei deinem nächsten Spaziergang durch die HafenCity bewusst darauf fallen dir bestimmt die zahlreichen schweren Metallwände an den Fenstern und Türen an jeder Ecke auf.

Wenn bei Flut also die unteren Promenaden überschwemmt sind, bleiben die Straßen oben auf dem sturmflutsicheren Warft-Niveau weiterhin frei. Damit kann die Stadt Zugänge zu wichtiger Infrastruktur und freie Rettungswege gewährleisten. Dank dieser Sturmflut-Lösung kann die HafenCity weiterhin ihre Offenheit zur Elbe bewahren.

Quelle: Noemi Bartl
Die Sturmflut Lösung der HafenCity auf zwei Ebenen: Promenade und Warft-Niveau.

Mobilität – Verbindungen schaffen

Die Einzigartigkeit des Großprojektes ‚HafenCity‘ besteht neben der Nähe zum Wasser darin, dass das gesamte Areal im innerstädtischen Raum entsteht. Wo kann man schon so unmittelbar einer Stadt beim Wachsen zusehen? Doch hierin besteht auch die Herausforderung: Alt und Neu wollen verbunden werden, sodass sich attraktive neue Quartiersviertel bilden, die eine Brücke zwischen Hafen und Speicherstadt schlagen können.

Wir stehen im Zuge unserer Führung jetzt auf der Busanbrücke mit Blick auf die Spitze des Rathausturms, der gerade mal einen Kilometer von hier entfernt ist. „Im Kopf ist das Rathaus aber viel weiter entfernt“, so unser Tourguide, ein Diplom-Geograph und Stadtplaner. Um also die Distanz in die Innenstadt auch im Kopf der Hamburger:innen ein Stück kleiner zu machen, soll die HafenCity mit ihren Quartieren bestmöglich in die Infrastruktur, das Straßennetz und das urbane Selbstverständnis integriert werden.

Das Stichwort lautet hier Mobilität. Wege für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen und eine unkomplizierte, schnelle Anbindung an den ÖPNV sind wichtig für die Etablierung der HafenCity in den Köpfen der hier lebenden Menschen. So wurde die U4 von Anfang an miteingeplant und verbindet die HafenCity mit dem Jungfernstieg in wenigen Minuten. Das Motto lautet „Die U-Bahn kommt nicht irgendwann. Sie fährt schon, bevor du in die HafenCity ziehst.“

Durch das gut ausgebaute ÖPNV-Netz, Fahrradstraßen und ein stetig wachsendes Angebot an Restaurants, Supermärkten und Kulturstätten verfolgt die HafenCity damit das Konzept einer walkable 10-Minuten-Stadt. Die Idee dahinter: Städte durch die Dezentralisierung von Dienstleistungen wieder lokaler zu machen. Gleichzeitig wird aufgrund des Mobilitäts-Angebots und der kurzen Wege die Notwendigkeit eines Autos so gut wie hinfällig. Der Ausbau der HafenCity lenkt also nicht noch mehr Autos in die Stadt, sondern erweitert unsere „kognitive Karte“ um umweltfreundliche und unkomplizierte Alternativen.

Inklusion – Nachbarschaft leben

Wo viel neuer (Wohn-)Raum entsteht, muss es auch Arbeitsplätze geben. Um eine gewisse Standortsicherheit zu gewährleisten, gilt es zum einen Arbeitsplätze zu halten und zum anderen neue zu schaffen. Bis zur Fertigstellung der letzten Bauprojekte (geplant 2027/28) erwartet die HafenCity 15.000 neue Bewohner:innen (aktuell lebt schon gut die Hälfte dort) und insgesamt 45.000 Arbeitsplätze.

Auch die soziale Infrastruktur wächst mit – es entstehen neue Schulen, Spielplätze und Parks, auch die Grünflächen sollen mitwachsen. Ein Beispiel hierfür: der Lohsepark, den wir auf unserem Rundgang inzwischen erreicht haben. Hier finden Wohn- sowie Büroflächen ihren Platz und seit 2015 trifft sich eine „sozial komplett durchmischte Nachbarschaft“ im Grün des Lohseparks.

Wie das möglich ist? Grundstücke werden auf moderate Fixpreise ausgeschrieben und zusätzlich Wohnraum gefördert. Durch einen „Drittel-Mix“ aus Eigentums-, Miet- und geförderten Wohnungen sind um den Lohsepark herum inzwischen alle Preisklassen vertreten. Zusammen mit einem Inklusionspaket wird Wohnen damit zum Treffpunkt unabhängig von Alter, sozialer Herkunft oder Vermögen.

Nachhaltig und innovativ

Mit dem Start der ersten Bauprojekte vor ca. 20 Jahren hat sich auch die (Bau-)Technik, vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte, stets weiterentwickelt. Es gilt neue Techniken möglichst in den urbanen Raum einzubinden und Synergien zu nutzen.

Ein Beispiel hierfür ist die Anordnung von Büro- und Wohnflächen zur Verringerung der Lärmemission. So wie es beim Wind Luv und Lee gibt, gilt das auch für Lärm. Geräusche, die zum Beispiel vom Hauptbahnhof oder Hafen kommen, werden von den Fassaden von Bürogebäuden abgefangen. Wohnflächen werden sozusagen ins Lee des Lärms gesetzt und sind so bestmöglich geschützt.

Für die Toilettenspülungen wird Grauwasser benutzt („sauberes“ Abwasser z.B. aus der Dusche oder Badewanne) und Autos können geteilt werden – über ein quartiersübergreifendes stationsbasiertes Carsharing-System. Dieses ermöglicht mitunter auch den erstaunlich niedrigen Stellplatzschlüssel in der HafenCity, der bei 0,2 Stellplätzen liegt und bedeutet, dass nur jede fünfte Wohnung einen privaten Stellplatz benötigt. So kann sich der Baakenhafen, in dem wir uns inzwischen befinden, stolz ‚autofreies Quartier‘ betiteln.

Quelle: Noemi Bartl
Das Roots-Projekt: Deutschlands größtes Holzhochhaus – auch nachhaltigen Materialien.

Begrünung und Holzbau

Der Blick über den Hafen führt zum Baakenpark, dem grünen Zentrum im Hafen. Der Park ist zum neuen Treffpunkt geworden. Hier herrscht reges Treiben auf dem Kinderspielplatz, Spaziergänger:innen flanieren entlang der Promenade. An der Böschung sitzen vereinzelt Angler:innen in der Sonne. Die Tidenböschungen gehören übrigens auch zum Nachhaltigkeitskonzept der HafenCity. Der Grünanspruch reicht nämlich bis zum Wasser und bietet Lebensraum für viele Vögel und Fische.

Wir schlendern im Baakenhafen weiter in Richtung Elbbrücken und nähern uns einem noch nicht fertiggestellteen Bauprojekt. Es handelt sich um das ‚Rootsprojekt‘, ein Holzhochaus aus nachhaltigen Materialien. Die Holzvollbauweise ermöglicht es, ein 65 Meter hohes Gebäude nach dem credit-to-credit Prinzip zu bauen. Lediglich in der Mitte ragt ein Betonträger aus dem Gerüst heraus – aus Öko-Beton, wie wir erfahren. Es wird das höchste Holzhochhaus in Deutschland und bildet einen beeindruckenden Abschluss unseres HafenCity-Rundgangs.

Von hier sind es nur ein paar Schritte zur U4 Haltestelle Elbbrücken, die mich in wenigen Minuten zurück in die Hamburger Innenstadt bringt. Auf meiner kognitiven Karte wird damit die räumliche Distanz zwischen HafenCity und Zentrum wieder ein Stück kleiner – für mich ist das Viertel schon fester Bestandteil eines nachhaltig-innovativen Hamburgs,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert