Was ist eigentlich … Utopie?

Auf einem grauen Betonbau mit blauen Türen steht in einfachen Buchstaben: 253 babies are born every minute worldwide. Are you optimistic about the future? Im Vordergrund etwas Grün.
Foto: Jana Wekel

Wer eine Idee als „utopisch“ bezeichnet, sagt damit, dass sie nicht umsetzbar ist. Oft ist das eine Abwertung dieser Idee. Aber was ist „Utopie“ wirklich – und wozu brauchen wir sie?

Der Duden definiert Utopie als „undurchführbar erscheinender Plan; Idee ohne reale Grundlage“. Das Wort hat griechische Wurzeln: ou heißt „nicht“ und topos heißt „Ort“, also „Nicht-Ort“. Bekannt wurde das Wort durch das Werk Utopia von Thomas More (veröffentlicht im Jahr 1516 auf Latein), in dem ein idealer Staat entworfen wird.

Solche Gedankenspiele eines idealen Staates sind noch älter als Thomas More: Schon der griechische Philosoph Platon hat sich daran versucht. Seine Politeia (ca. 375 v. Chr.) wird von der scheinbar neutralen Vernunft regiert, die bei genauerem Hinsehen aber keineswegs neutral ist, sondern ziemlich totalitär. So wird in dem Werk zum Beispiel auch Eugenik gerechtfertigt. Heute würden wir die Politeia eher als das Gegenstück zur Utopie, als Dystopie, bezeichnen.

Inwiefern solche „idealen“ Staaten als tatsächlich erstrebenswert gemeint waren, ist umstritten. Mores Titel Utopia impliziert, dass dieser Ort eben nicht existiert und auch nie existieren wird. Eins haben diese Texte mit Entwürfen eines idealen Staates allerdings gemeinsam: Sie dienen als Kritik an der Gesellschaft, in der sie entstanden sind. Genau dazu können wir Utopien gut gebrauchen: als Kontrast, als Spiegel, in dem wir deutlicher sehen, was in der Realität alles schief läuft.

Quelle: Martina John
Fassaden in Prenzlauer Berg sprechen manchmal für sich.

Utopie für das 21. Jahrhundert?

In der heutigen Welt läuft auch einiges schief. Zwischen Klimakatastrophe und Pandemie stellt sich eher die Frage, woran sie zuerst untergeht. Der Kapitalismus gilt als alternativlos und eine nachhaltige, umweltfreundliche, funktionierende Zukunft als naive Spinnerei. Da wird schnell jede Idee zur Verbesserung als „utopisch“ abqualifiziert, selbst wenn die Verbesserung realistisch (oder sogar notwendig) sein könnte.

Heutige Utopien dienen aber auch dazu, dem Doomscrolling etwas entgegenzusetzen. Das kann Eskapismus sein (zum Beispiel der idealisierte Nicht-Ort von #Cottagecore), oder einfach die Frage: „Was wäre denn eigentlich, wenn …?“ Dabei muss nicht immer alles jetzt sofort 1:1 erstrebenswert und umsetzbar sein. Aber wir können Utopien nutzen, um den vermeintlich alternativlosen Rahmen der Diskussion zu verschieben.

Es ist richtig, dass die Erde bald unbewohnbar sein wird, wenn wir die Klimakatastrophe nicht aufhalten. Aber wäre es deswegen nicht gerade wichtig, verschiedene Szenarien für eine bessere Zukunft zu entwickeln? Eine Zukunft, in der es nicht um das bloße Überleben der Menschheit geht, sondern in der wir auch leben wollen? Für die es sich zu kämpfen lohnt?

Dieser Zukunft können wir uns aber nur nähern, indem wir darüber nachdenken, reden, und dann schauen, ob wir aus manchen Ideen nicht vielleicht doch einen realen Ort machen wollen und können. Von daher: Mehr Utopie wagen!

Wo finde ich Utopie?

  • Utopie zum Lesen: Eine modernere Version der Utopie-als-Spiegel bietet The Dispossessed von Ursula K. LeGuin (in manchen Editionen mit dem Untertitel An Ambiguous Utopia versehen). Für eine wirklich positiv ausgerichtete Zukunft sei ein Blick auf Solarpunk empfohlen.
  • Utopie zum Gucken: Star Trek! In dieser Zukunft hat die Menschheit vieles überwunden, aber auch diese Serien beschäftigen sich mit den Problemen der Gegenwart.
  • Utopie auf der Straße: Findet sich in jedem Gespräch, das Hoffnung gibt für die Zukunft.

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