Hostile Architecture: Wenn Stadtplanung feindlich wird

Eine braune Parkbank mit Armlehne in der Mitte steht vor einem Kanal. Dahinter Häuser aus weißem Beton und blauer Himmel.
Foto: Adam Bentley/Unsplash

In unseren Städten sehen wir immer mehr Spikes: auf Reklame, um Tauben fernzuhalten, aber auch unter Brücken oder in Ecken von Bahnhöfen – damit dort niemand schläft. Das ist nur ein Beispiel für eine Art von Stadtplanung, die zunehmend als hostile architecture in der Kritik steht.

Defensiv oder feindlich?

Vor der hostile architecture gab es zuerst die defensive architecture. Im Deutschen ist der Begriff „defensive Architektur“ noch heute der gebräuchlichere. Defensiv, also geht es um Verteidigung. Allerdings reden wir hier nicht (mehr) von Stadtmauern, die Angriffe von außen abwehren sollen, sondern davon, dass Städte zunehmend geplant werden, um bestimmte Verhaltensweisen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.

Wenn auf der Mitte von langen U-Bahn-Rolltreppen Spikes installiert sind, damit dort niemand absichtlich hinunterrutscht und dabei sich oder andere verletzen könnte, dann ergibt das noch Sinn. Wenn allerdings im öffentlichen Raum zunehmend Spikes auf dem Boden montiert werden oder nur noch Bänke mit Armstützen in der Mitte aufgestellt werden, damit sich nirgendwo jemand hinlegen kann, dann wird es zu einem Problem: Marginalisierte Gruppen – in diesem Fall Obdachlose – werden so aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Deswegen hat sich im englischen Sprachraum zunehmend der kritische Begriff hostile architecture durchgesetzt: feindliche Architektur.

Eine Bank, die aus einzelnen Sitzen aus schwarzem Metal-Gitter zusammengefügt ist.Quelle: Jana Wekel
Nicht nur unbequem, sondern auch abwehrend – Banken aus einzelnen Sitzen auf Bahnhöfen.

Architektur als Problemverdrängung

Spikes im Boden oder auf Mauern gehören zu den sichtbarsten Beispielen von feindlicher Architektur, sind aber nicht die einzigen. In San Francisco geriet ein Auktionshaus in die Kritik, weil sein automatisiertes Sprinklersystem Obdachlose nachts mit Wasser besprühte. Auch die Akustik ist Teil der Planung; neben penetranten Liedern werden in den USA zum Beispiel hohe Töne, die ältere Menschen nicht mehr hören, verwendet, um Jugendliche nachts aus Parks oder von Parkplätzen fernzuhalten – angeblich zu ihrer Sicherheit. Jugendliche brauchen aber Räume, in denen sie sich treffen können, ohne dass sie dafür sofort Geld bezahlen müssen.

Hostile architecture löst also keine Probleme, sondern macht sie höchstens unsichtbar, indem sie sie aus dem öffentlichen Raum an den Rand verdrängt – und damit auch aus dem Bewusstsein. Keiner obdachlosen Person ist geholfen, wenn sie weniger Raum bekommt.

Statt Bänke durch Betonklötze zu ersetzen, wäre es besser, in echte Hilfsprogramme zu investieren, zum Beispiel Housing First. Dabei wird obdachlosen Menschen eine Wohnung zur Verfügung gestellt, ohne dass sie vorher langwierige bürokratische Prozesse durchlaufen müssen. Dieses in Finnland äußerst erfolgreiche Modell findet auch in Deutschland zunehmend Anklang.

Ein Platz mit ein paar Baumscheiben und rechts einem Café.Quelle: Jana Wekel
Der Hermann-Ehlers-Platz: eher zum Durchlaufen als zum Verweilen, außer man möchte auf schmalen Vorsprüngen oder im Café sitzen.

Aufenthaltsqualität für alle

Darüber hinaus ist hostile architecture sogar schlecht für die Aufenthaltsqualität, die sie angeblich schützen will. Ein Beispiel: Um Obdachlose fernzuhalten, wurden auf dem Hermann-Ehlers-Platz in Berlin-Steglitz die Sitzbänke entfernt. Die Aufenthaltsqualität auf dem Platz hat sich allerdings nicht gesteigert – im Gegenteil. Mobilitätseingeschränkte Menschen haben nun wenig Gelegenheit, sich auszuruhen, und auf der zubetonierten Fläche länger verweilen möchte sowieso niemand. Immerhin soll der Platz in den nächsten Jahren umgestaltet werden, auch unter Beteiligung der Bürger:innen. Mit oben auf der Wunschliste: mehr Bänke!

Die Zukunft der Stadtplanung kann nur in einem öffentlichen Raum liegen, in dem sich alle willkommen fühlen.

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