Frischluft für alle! Wie der Wind die Stadtentwicklung beeinflusst

Eine Grünfläche mit kleinem Asphaltstreifen, auf dem sich Menschen aufhalten.
Foto: Martina John

Dass Flussverläufe und Häfen wichtig für Städte sind, leuchtet sofort ein. Wir schauen uns heute einen wichtigen Punkt für die Stadtentwicklung an, der vielleicht nicht sofort ins Auge fällt: den Wind.

Luftbewegung durch Kaltluftschneisen

Die Sommer werden immer heißer – das merken wir besonders in unseren versiegelten (also asphaltierten und zubetonierten) Städten. Asphalt speichert die Wärme und verhindert, dass sich in der Nacht Kaltluft bilden kann – die entsteht nämlich am besten auf Grünflächen wie Parks, wo die Luft im und am Boden abkühlen kann. 

Diese Kaltluft muss von den Grünflächen dann aber auch in den Rest der Stadt kommen, und dafür braucht sie Wege, die nicht mit Gebäuden zugebaut sind (sogenannte Frisch- oder Kaltluftschneisen). In Stuttgart zum Beispiel kommt die kalte Luft über grüne Hänge in die aufgewärmte Stadt im Tal. Für Freiburg hat ein Projekt der TU Berlin weitere Details der Luftbewegung in der Stadt analyisiert.

In Berlin ist die Kaltluftbewegung auch einer der Gründe, warum das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof, das Tempelhofer Feld, durch einen Volksentscheid dauerhaft vor Bebauung geschützt wurde – auf dem freien Feld kann großflächig Kaltluft entstehen und sich von dort weiter in die Stadt verteilen.

Ein verspiegeltes Gebäude hinter Wasser, dahinter hügelige StadtQuelle: Jana Wekel
Stuttgart liegt in einem Tal und ist besonders auf die Kaltluftzufuhr über die Hänge angewiesen.

Windräder für die Innenstadt?

Wind in den Städten können wir auch noch anders nutzen: nämlich für Windenergie. Windräder erwartet man zwar vielleicht eher auf Feldern oder am Meer. Wenn in Großstädten wie Hamburg oder Berlin Windräder stehen, dann eher wenige am Stadtrand. Um ihren Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten, müssen allerdings auch Städte verstärkt auf alternative Energien setzen. 

Solarenergie bietet sich in der Stadt natürlich an, aber Windenergie sollten wir nicht vorzeitig abschreiben: Momentan werden kleinere Modelle entwickelt, die zum Beispiel auf den Dächern von Plattenbauten installiert werden könnten.

Hinter einem Fluss einige Hochhäuser mit GlasfassadenQuelle: Laura Lugaresi/Unsplash
Die Isle of Dogs im Osten Londons war nicht immer eine beliebte Wohngegend …
Foto: Unsplash/Laura Lugaresi

Bevölkerungsentwicklung gegen den Wind

Auch historisch gesehen haben Luftbewegungen großen Einfluss auf die Stadtentwicklung. Habt ihr euch zum Beispiel schon mal gefragt, warum in so vielen europäischen Städten die ärmeren Bezirke im Osten der Stadt liegen (zum Beispiel in London, Manchester oder Paris)? Der britische “Guardian” hat eine Studie vorgestellt, die eine mögliche Erklärung in der Luftverschmutzung sieht. 

Die anekdotische Wahrnehmung, dass der Wind in unseren Breitengraden vor allem vom Westen kommt und nach Osten weht, haben die Wissenschaftler:innen anhand von mathematischen Modellen der Luftbewegung in 70 britischen Städten überprüft und bestätigt. Das bedeutet, dass der Wind die verschmutzte Luft von Schornsteinen und Fabriken eben vor allem nach Osten bläst. 

Wer es sich zu Zeiten der Industrialisierung leisten konnte, ist also in den Westen der Stadt gezogen, um der schlechten Luft und dem Ruß zu entkommen. Die ärmeren Menschen hingegen mussten in Windrichtung der Luftverschmutzung wohnten: im Osten. Heutzutage, wo die Luftverschmutzung abnimmt, kämpfen die betroffenen Viertel allerdings eher mit Gentrifizierung.

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