Cozy Fantasy gibt’s auch urban

Ein Fahrrad steht an einem Kanal neben einem Blumenkasten
Foto: Jana Wekel

Die Zeichen stehen auf cozy: Bücher, Serien und Spiele mit diesem Label sollen eine gemütliche Atmosphäre und ruhige vibes verbreiten. Einen großen Teil davon macht Cozy Fantasy aus. Vieles spielt in guter eskapistischer Manier auf dem Land, aber eben nicht alles. Werfen wir also mal einen Blick auf Cozy Urban Fantasy.

Cozy Eskapismus

Warum coziness nicht nur im kalten grauen Herbst angesagt ist, liegt auf der Hand: Die echte Welt kann sich vor Krisen nicht retten, also wird in Büchern & Co nach Eskapismus gesucht. Und wenn Eskapismus, dann für die Fans der coziness auch richtig. Neben der bereits erwähnten gemütlichen und ruhigen Atmosphäre bedeutet das in erster Linie: low stakes. Es geht in diesen Geschichten nicht darum, die Welt zu retten, das große Böse niederzumetzeln oder potentiell tödliche Risiken einzugehen.

Stattdessen steht von Anfang an fest, dass den Protagonist:innen nichts Schlimmes passieren wird. Sie haben zwar ihre Probleme, aber die lassen sich immer irgendwie lösen, mithilfe einer found family, die sich im Laufe des Buches ansammelt, und am Ende gibt es ein Happy End. Eskapismus eben.

Ein sandiger Weg durch DünenQuelle: Jana Wekel
Ausflug ans Meer gefällig?

Das Cozy Fantasy Phänomen

Cozy Genres sind an sich nichts Neues – Cozy Mystery gibt es schon eine ganze Weile. Und auch gemütliche Geschichten sind keine bahnbrechende Erfindung. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass gerade Cozy Fantasy in den letzten Jahren besonders hoch im Kurs steht.

Eins der frühsten Bücher, die in diese Richtung gingen, bevor der Cozy Fantasy Hype so richtig losgelegt hat, war The House in the Cerulean Sea von T.J. Klune (dt. Übersetzung: Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte). Hier muss der Beamte Linus Baker ein Waisenhaus auf einer entlegenen Insel inspizieren, wo unter der Obhut von Mr. Parnassus einige Kinder mit abenteuerlichen magischen Talenten leben.

Dieses entlegene Setting steht im expliziten Kontrast zu der Stadt, in der Linus lebt, und seinem bürokratischen Alltag in der Behörde, die sich zwar um die magisch begabten Kinder kümmern soll, aber kein wirkliches Interesse am Kindeswohl hat.

Die Insel am blauen Meer als Ausweg aus der grauen Stadt hat hier etwas von Cottage Core – was kaum überrascht. Schließlich wollen auch viele Leser:innen entkommen aus dem anstrengenden Alltag in ihren Städten.

Das Cover von Bookshops and Bonedust neben einer KaffeetasseQuelle: Jana Wekel
Bücher und Kaffee – Eskapismus pur.

Cozy Fantasy in der Stadt

Aber nicht alle Cozy Fantasy Bücher spielen auf dem Land. Insbesondere das Buch, das den Cozy Fantasy Trend im Jahr 2022 erst so richtig ins Rollen gebracht hat, spielt in einer Stadt: Legends & Lattes von Travis Baldree (dt. Übersetzung: Magie und Milchschaum). Auch der zweite Band, ein Prequel, spielt in einer Stadt (Bookshops & Bonedust, dt. Bücher und Barbaren).

In Legends & Lattes beschließt die Ork-Kriegerin Viv, das Kämpfen sein zu lassen und in der Stadt Thune ein Café zu gründen. Ja, genau, ein Café. Quasi ein Coffeshop Alternative Universe, nur dass es keine Fanfiction ist, sondern das eskapistische Café ist der Kanon.

Ich war zugegebenermaßen etwas skeptisch, ob diese Prämisse einen ganzen Roman trägt, hatte dann aber ziemlich viel Spaß mit Viv, wie sie Räumlichkeiten anmietet, das Café ausstattet, Mistreiter:innen dazugewinnt und sich überlegt, was alles auf die Getränke- und Speisekarte gehört. Und so ganz ohne stakes ist die Geschichte auch nicht, denn in Vivs Vergangenheit als Söldnerin ist noch die ein oder andere Leiche begraben …

Ein Café-Tisch mit zwei Kaffees, zwei Croissants und einem OrangensaftQuelle: Jana Wekel
Ruhepause im Stadt-Alltag.

Urbaner Eskapismus

Nun ist Legends & Lattes kein Solarpunk mit einer nachhaltigen, angenehmen Stadt. Aber trotzdem ist der Eskapismus-Aspekt in diesem eher urbanen Setting von Cozy Fantasy offensichtlich: Es geht um Ruheinseln innerhalb des Trubels wie ein Café oder, im Prequel Bookshops & Bonedust, ein Bücherladen.

Vielleicht wäre eine Bibliothek noch besser als ein Laden, in dem Geld in die Hand genommen werden muss, aber trotzdem liegt etwas Gemütliches, Angenehmes in diesen Ruheinseln, wo die Inhaber:innen den Lieblingsdrink kennen oder direkt eine passende Buchempfehlung parat haben. Ein offensichtlicher Gegenentwurf zu unpersönlichen Ketten in den Innenstädten oder algorithmus-basierten Bestellungen im Internet. Vielleicht steckt da auch ein Bedürfnis drin, Konsum als eine weitere Form des Eskapismus zu behalten, aber eben in Gut?

Ein paar der Bücher, die in diesem Artikel empfohlen werdenQuelle: Jana Wekel
Mehr cozy vibes gefällig?

Was ist eigentlich alles cozy?

Wo genau die Trennlinie verläuft zwischen Cozy Fantasy und anderen Genres von Fantasy (oder Science Fiction), ist nicht klar definiert. Die beiden Solarpunk-Novellen der Monk & Robot Reihe von Becky Chambers, die ich schon als Weihnachtsgeschenke empfohlen hatte, bringen zum Beispiel eine gehörige Portion coziness mit. Sie gehören zu den Büchern, die explizit kein urbanes Setting haben wollen.

Wahrscheinlich kommt es ein bisschen darauf an, was man persönlich für cozy vibes und/oder für einen comfort read hält und was nicht. Für mich gehören definitiv die Fantasy-Romane von T. Kingfisher dazu, obwohl die stakes in ihren Geschichten nicht gerade low sind. So zieht in Nettle and Bone die Prinzessin Marra los, um ihre ältere Schwester vor dem Prinzen zu retten, den sie heiraten musste und der sie misshandelt. Der deutsche Titel ist Programm: Wie man einen Prinzen tötet. Dennoch sammelt Marra auf ihrem Weg durch erfrischend interpretierte Märchen-Tropen eine illustre Runde an wundervollen Charakteren ein, mit denen man gerne unterwegs ist, auch wenn (oder gerade weil?) das Thema und Ziel des Romans überaus ernst sind.

Außerdem möchte ich bei dieser cozy/comforting Gelegenheit noch eine SciFi-Reihe nicht unerwähnt lassen: die Murderbot Diaries von Martha Wells. Das namensgebende Murderbot ist eine der Kampfmaschinen, die von ausbeuterischen Konzernen quer durch den Weltraum geschickt werden, als Security für die Menschen. Nur hat dieses Bot sein Kontrollmodul gehackt, ist also selbstbestimmt, darüber hinaus ziemlich done mit der Dummheit der Menschen und eigentlich möchte es nur in Ruhe seine Lieblingsserie binge-watchen. Like wer’s kennt? Aber auch Murderbot sammelt im Laufe der Novellen und Romane einige nicht ganz so schreckliche (bis sehr großartige) Menschen und andere Bots ein, während es sich höchst unterhaltsam durch Weltraumstationen und ferne Planeten kämpft.

Ob also auf dem Land, in der Stadt oder im Weltraum: So schnell geht uns die eskapistische cozy comfort Lektüre zum Glück nicht aus.

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